Erinnerungen

Wenn Dokitura sein Hemd bügelt, seine braunen Haare mit Gel einreibt und die alten, schwarzen Lederschuhe aus dem Schrank holt und sie poliert, gibt es ein besonderes Ereignis.

Shang_King, der König von Hebriel, war den letzten Tag, oder besser gesagt Morgen, in Lodrion. Wohin er geht? Zurück in den Albtraum. Die Schule. Naja, für ihn war das kein Albtraum, weil er Schule sehr mochte, aber die Schüler mochten ihn dort nicht besonders. Eher hassten sie ihn. Oder wie würdet ihr schlagen, in den Schrank sperren und auslachen nennen? Trotzdem entschied er sich dorthin zu gehen, weil Ausbildung über allem stand und die Schule eine riesige Bibliothek hatte in der ein Geheimgang sein soll. Wofür er wichtig ist, weiß er auch nicht, wird es aber bestimmt bald erfahren.

,,Kommst du?", rief eine raue Stimme mit russischem Akzent. Das war Wladimir Wolkov, sein Meister und Berater. Shang wischte sich die Krümel des Frühstückbrots von dem neuen Hoodie und sah sich seufzend im Spiegel an. Ein Pandai wie jeder. ugenringe, kleine Augen, runde Ohren und eine Knopfnase. Jedoch hat nicht jeder Pandai eine goldene Krone im Hintergrund stehen, die ihn verspielt anglänzt. Ob er sie verdient hat?

Schweigend schritt er die Treppen hinunter in den Hof der Burg. In der Schmiede brannten die Öfen und am Bergfried bewachte Vivaldi den Eingang und wedelte jeden Vorbeigehenden an. Am Rande der grauen Mauer waren die Ställe gefüllt mit Pferden und anderen Reittieren. Serkan, der Erfinder (der nie Zeit hat), hat es irgendwie geschafft seinen riesigen Eisdrachen Thando (der sprechen kann) dort hinein zu quetschen. ,,Ein Foto zum Abschied!", hallte die klingende Stimme von Ilai dem Glücklichen. Die Drächin Dragunia behielt das ganze Tal im Auge. Sie war so groß geworden, dass sie nicht mehr in die Schlafräume passte, was Ilai etwas traurig machte. Draco, ihr roter Bruder, gab dem Waffenschmied Donnerhau immer Feuer und war ein großer Bestandteil der Dracheneisenproduktion. 

Sie traten in die Mitte des Hofes und Ilai drehte die Kamera auf einen Ständer. Ausnahmsweise  kam Serkan auch mit aufs Gruppenfoto. Zwischen Dokitura und Pieksi war Shang eingeklemmt und um sie herum das ganze Team inklusive Tiere. Nur einer fehlte.

Das Foto wurde geknipst und alle verteilten sich wieder auf ihre Arbeit. ,,Möge Notch dir beistehen, Panda.", grummelte Donnerhau, ,,Wer weiß was in Nonngard jetzt lauert.", ,,Mache ihm keine Angst.", mischte sich Doki ein und lenkte seinen Bruder zum Flugzeug von Serkan. 

Es war ein Privatjet mit allen Gemütlichkeiten und dem Graffield-Logo an den weißen Außenwänden. Serkan war wieder am Telefonieren und seine Assistentin Maja die 250. brachte ihm wieder seinen Kaffe mit veganer Sahne. Shang wusste nicht recht, ob er wirklich in den Flieger will. ,,So.", sagte sein großer Bruder und drückte ihm einen großen Koffer in die linke Hand. (Und ließ die restlichen fünfzig Koffer einladen) ,,Wozu brauche ich so viele Sachen?", ,,Du bist jetzt für zwei Jahre weg." Entsetzt blickte ihn der König an. ,,Zwei verdammte Jahre?! Doki, ich wollte nur hin und zurück, vielleicht etwas in der Bibliothek und in der LODRIONER Schule meine Ausbildung beenden! Das war der Plan.", ,,Ja... Was das angeht... Magnus von dem Bau hat berichtet, dass sich der Bau verschiebt.", ,,Bitte- Bitte was?! Ich habe alles unterzeichnet.", ,,Tja, aber Dittmad nicht.", ,,Wo ist er überhaupt? Ich dachte, der wäre als Wächter des Südens zuverlässiger.", ,,Er ist immernoch auf der Suche nach einem Reittier oder Fahrzeug." Serkan zeigte beim Telefonieren hektisch auf die silberne Handuhr. ,,Du musst los.", seufzte sein Dokitura und umarmte Shang (der gar nicht begeistert war und sie nicht erwiderte), ,,Pass auf dich auf. Und damit du das auch wirklich machst- Wird Wolkov mitfliegen." Der alte Werwolf winkte ihnen zu. Das erleichterte Shang etwas. ,,Und Bo Hua auch." Die Pandai aus dem Dorf. Die Streberin, die immer zur Seite steht und etwas nerven kann. Sofort sanken seine Mundwinkel nach unten und er beeilte sich, einzusteigen. Wolkov lachte sich ins Fäustchen und stieg ebenfalls ein.

Im Flug las er wieder eines seiner philosophischen Bücher, die andere nicht verstehen würden. Plötzlich wollte Shang wissen, ob es Elvinaria besser geht. Wladimir schüttelte langsam den großen, grauen Kopf. Serkan kam zu ihnen und holte eine Flasche Champagner. Natürlich nur für sich.

Der Flug dauerte in etwa drei Stunden. Vom Fenster aus konnte man die Berge unter den Wolken verschwinden sehen und ein unendliches Blau erstreckte sich darunter und darüber. Sie überflogen die Birkeninsel Hain und das weite Meer.

Später ertönte der Ruf: ,,Bitte anschnallen und zurücklehnen!" Das taten sie auch. ,,Hätten wir nicht Thando als Flieger nehmen können?", ,,Um Gottes Willen. Ihr müsst euch an die moderne Welt gewöhnen. Außerdem ist das hier viel schneller.", antwortete der weißhaarige Erfinder gleichgültig und blätterte weiter in der Zeitung, ,,In Lodrion gibt es nicht einmal Fernseher.", ,,Wieso brauchen wir den? Wir wissen eh bescheid, was vor sich geht.", ,,Nein, weil ich einen Nachrichtensender gekauft habe, der über meine Firma berichtet." Wolkov knurrte: ,,Du hast dich also nicht davon getrennt.", ,,Nope. Noch nicht." Er schaute auf. ,,Macht morgen den Fernseher an. Ihr werdet schon sehen."

Als sie landeten, war es hell am Tage. Wie auf einer Landkarte erstreckte sich die gigantische Stadt Nonngard vor ihnen. Natürlich nicht so groß wie Lavaredìnia, aber weit mehr bewohnter und unbewacht. ,,Viel Glück.", sagte Serkan und sein Telefon klingelte wieder.

So standen sie dann vor dem Flughafen und nur Shang wusste wohin. Bo holte ihre Sachen und einen Einkaufswagen für die anderen.

An diesen Straßen erinnerte sich der König noch gut. Gepflastert und mit Dreck der Verwesung zwischen den Rinnen. Ein Babyschreien in der Nähe, irgendwer spuckt seinen Kaugummi an die Wand aus Holz. Als sie Wolkov erblickten, liefen sie panisch ihnen aus dem Weg. Außer einer. Den kannte das ganze Viertel und das ganze Nonngarder Gymnasium. Geduckt tippelte Shang an ihm vorbei.

,,Auch schon da, Streber?", rief er hinterher, ,,Wir sehen uns!"

Schnell liefen sie durch die dreckigen Gassen an den Holzhäusern vorbei. Nur in der Mitte der Stadt gab es Wolkenkratzer, ansonsten nur kleine Hütten oder Wohnungen. Und eine davon war die Wohnung seines Onkels Morgal, die noch leer da stand, wegen Aberglaube. Die Menschen hier mieden Wohnorte wo jemand gestorben war. Er hatte noch den Schlüssel und sie traten alle ein. (Auch die Sachen nahmen sie mit)

Die Wände waren kalt und mit Zeitung verklebt, alle Möbel wurden nicht einmal angerührt und der Strom nicht abgestellt. Draußen herrschte Betrieb wie immer. Reiter (keine schwarzen Reiter) auf Pferden brachten ihre Einkäufe nach Hause, Autos blieben in langen Staus stecken und hupten bis in die Nacht hinein.

Jeder bekam ein Zimmer. Onkel Morgal war aus der Mittelschicht und konnte sich eine etwas größere Wohnung leisten. Jedoch keine neuen Möbel; Die alle hatte er noch von seiner Kindheit. Selbst den Fernseher.

Sie rupften zuerst die Zeitung von den Wänden und schmissen den Ofen an. Es war Spätherbst und sehr kalt. Jeder Atemzug war eine Nebelwolke. Das Fenster wurde geputzt und eine Suppe mit mitgebrachten Lebensmitteln gekocht. Sie schmeckte wie immer als Shangs Onkel sie gemacht hat und das Sofa war immernoch so weich. Auf diesem Sofa ist er gestorben.

Alles war wieder beim Alten und die Miete war relativ niedrig (für einen König).

,,Wer war das vorhin an der Straße?", fragte Bo direkt.

,,Einer, den man lieber aus dem Weg geht."