Unruhige Gespräche

Serkans Villa war ein Haus wie jedes andere. Es war jedoch nicht in Wohnungen eingeteilt, sondern ein ganzes Haus. Weiß angestrichen, mit Garage, einer silbernen Tür und geschmückten Fenstern. Die Hausnummer war 5. Auch sie glitzerte silbrig. 

Der Hafen war ein nicht abgesicherter Platz, also liefen dort gerne Zombies und Skelette umher. Dragunia und ihr Drachenbruder versteckten sich hinter dem Schiff. Drachen waren nicht so wirklich erlaubt in Nonngard. Verständlich, wenn sie so groß sind.  Drachenhörner halfen beim Transport. Dokitura führte das Team auf den Steg und hielt Anduin fest, damit er nicht gleich die Monster angriff. Elvinaria und Interru erledigten das in Sekunden. ,,Eine gute Truppe, die zwei.", meinte Pieksi. ,,Aber nicht vergleichbar mit uns.", fügte er lächelnd hinzu, ,,Wolkov, du kommst mit, ja?", ,,Ich will meinen Schüler ein letztes Mal sehen bevor ich gehen werde."

Sein grauer Oberkörper fing das Mondlicht auf wie ein Teppich und sein gelbes Auge fachte auf. 

Donnerhau und Ilai machten das Schiff fest und folgten ihnen später zu Serkan. An der Tür war es nur sehr kurz zu warten. Der Erfinder riss sie auf und holte alle (auch die Gryphen und den schwarzen Pegasus) rein. Vivaldi wedelte fröhlich mit dem Schwanz als er Maja sah und leckte sie ab. ,,Guten Abend.", begrüßte Serkan sie und verbeugte sich vor Wolkov wie vor einem Meister, ,,Ich wusste, du würdest zurück-kehren. Und nicht allein, wie ich sehe." Er schmunzelte und schloss seinen alten Freund Interru in den Arm. ,,Es ist ein Wunder, Interru.", flüsterte er in sein Ohr, ,,Ich weiß, wer der Verräter seien kann." Interru zischte zurück: ,,Lass uns erstmal ausruhen. Ich habe einiges zu erzählen." Es klingelte wieder und Shang stürtzte rein. An seiner Seite Ivan und Bo. ,,Doki!" Er raste zu ihm und war zum ersten Mal der, der die Umarmung anfängt. Sie war nur kurz, aber voller Liebe. Dann sah er Interru und Wolkov nebeneinander stehen. ,,Heute ist der glücklichste Tag meines Lebens.", ,,Es wird noch einen besseren geben.", äußerte sich sein Bruder, ,,Wenn wir erstmal Taifun besiegt haben.", ,,Nicht zu zuversichtlich, mein Freund.", unterbrach Wolkov die gute Stimmung, ,,Wir haben Schlechtes zu berichten." Die Atmosphäre änderte sich wie vom Blitz getrofen. ,,Was ist passiert?" Interru und Wladimir wechselten einen vielseitigen Blick. ,,Es war so...

 

Wolkov wurde von Elvis in eine Zelle gegenüber Interru gesetzt. ,,Der Oberste kommt gleich.", sagte er finster, ,,Bis dahin... (Blick zu Interrus Zelle) hast du einen Gesprächsparter."

Aus dem Schatten kroch ein blasser Mann mit ungepflegten schwarzen Haaren und Bart. ,,Interru?", ,,Wolkov?" Beide waren erstarrt vor Schock. Es war ein Schock der Freude, aber auch der Unverstehens.

Noch am selben Abend holte man den Werwolf zu Taifun und legte ihn in Ketten. Wolkov wartete geduldig auf seinen ehemaligen Schüler im Wissen, dass er sich ihm nicht anschließen würde. Und das bedeutete für ihn, er muss stark bleiben. Taifun würde alles dafür tun, um ihn auf seine Seite zu schlagen. Alles im Sinne von Folter und Gewalt oder im Sinne von Erpressung.

Da kam er.

Stolzierend wie ein Löwe mit einer schwarzen Krone auf dem Kopf. Seine goldenen, geglätteten Haare reflektierten das Licht der Kronleuchter über ihnen wie ein Blatt aus Metall.

Sein Gang war ruhig und zeigte jedem deutlich, dass er keine Angst hatte. Es war ein Gang des Sadisten, der sein Opfer anstarrte und sich schon ausmalte, was er mit dem machen würde. ,,Hallo, Meister.", zischte er mit hohem, langsamen Ton, ,,Bitte verzeih mein Überstürtzen, aber wie ich sehe, muss ich mich garnicht entschuldigen." Er flog wie ein Schatten an Wolkovs Kehle und packte zu. Seine Hand war knochig und eiskalt. ..Du hast mir meinen Abend verdorben. Ich war so kurz davor, das letzte Land in meine Liste zu bringen!" Seine Stimme war grausig. Als sprächen mehrere Stimmen gleichzeitig. Seine Haut war blass und je mehr er sprach, desto faltiger wurde sie. Wolkov knurrte ihm ins Gesicht: ,,Und was dann?" Er ließ los und Wolkov schnappte nach Luft. ,,Ich hätte genügend Seelen um meinen reservierten Platz als Gott einzunehmen. Aber das gehört nicht zur Sache..." Er zauberte sich eine Flasche Drachenblut und ein Glas her. ,,Erinnerst du dich an unser Gespräch im Wald der Erinnerungen?", ,,Jedes Wort.", ,,Ich weiß, du würdest dich mir nicht anschließen. Das war ein kleiner Trick. Hehe. Ich brauche dich auch nicht. Was ich brauche, ist..." Er griff Wolkovs Amulett und riss es ihm vom Hals. ,,...Ein bisschen Chaos. Und du wirst es machen. Werwölfe... Pha! Du hast es am meisten verdient, ausgestoßen zu werden... Nicht ich.", ,,Was damals passiert ist, tut mir leid.", ,,Spar' dir deine Worte! Ich brauche keine Entschuldigung für meinen Erfolg.", ,,Es ist Hass der dich treibt!", jammerte Wolkov außer Puste, ,,Und das nur wegen mir." Taifuns gelbe Augen brannten wie wilde Flammen und er zeigte seine scharfen Zähne, die einem Drachen ähnelten. ,,DU GLAUBST, DAS LIEGT ALLES NUR AN DIR, JA?! ICH- ICH GANZ ALLEIN HABE ES SO WEIT GESCHAFFT. UND NIEMAND HAT MIR GEHOLFEN. ES GIBT NUR MICH UND SONST NICHTS!" Er beruhigte sich wieder uns stopfte seinen alten Meister zurück in die Zelle. ,,Du bist nichts, Meister, nichts. Und deswegen wirst du verenden, wie jeder andere auch. Und glaube ja nicht, dass das alles nur wegen dir passiert ist."

Zwei Tage saß er im Untergrund mit Interru gegenüber. Er teilte ihm mit, dass Taifun eine große nach Tridàs verlegt. Das hat er mitbekommen als Elvis mit ihm geredet hat.

Noch in dieser Nacht geschah es...

 

,,Interru bekam die Schlüssel von Elvis zugeschoben.", ,,Er sagte, ich bedeute ihm nichts, aber seiner Schwester. Also würde er mich nicht dort unten lassen.", fuhr Interru fort, ,,Ihm verdanken wir unser Leben. Ich sogar mehr als einmal. Er hat mich nicht verraten, obwohl er genau wusste, dass ich ein schwarzer Reiter aus dem Königsland bin."

Doki rieb sich die Schläfe und massierte den Kopf. ,,Und ihr habt die Blitzdracheneier bei der Flucht gefunden?", ,,Nicht ich- er!", bellte Wladimir, ,,Er- einfach unfassbar- ist auf den höchsten Turm geklettert in der Hoffnung etwas zu finden.", ,,Die zwei waren seine Geheimwaffe. Jetzt sind sie unsere.", erklärte er etwas stolz, ,,Ist alles gut, Shang?" Der Halbpandai blickte aus dem Fenster auf das Wasser am Hafen. ,,Sie schieben Tridàner zurück in ihre Heimat.", ,,Was?!", ,,Ja, und zwar in Scharen. Mrs. Pablo ist jetzt Smiths Stellvertreterin." Serkan zupfte in Gedanken versunken an seinem Bart. ,,Ich werde mit ihm morgen reden. Mit dem Bürgermeister, meine ich.", sagte der König, ,,Serkan hat alles organisiert."

Damit war das "Abendtreffen" beendet und alle, müde und halb eingeschlafen, schleppten sich in ihre Schlafplätze. Außer Shang und Wolkov. 

Der alte Werwolf setzte sich neben seinen Schüler auf die weiße Couch im Wohnzimmer. ,,Hast du gesehen, wie sehr sich Maja gefreut hat, Elvinaria zu sehen.", witzelte er, obwohl er es nicht als Witz meinte, ,,Wie konnte nur aus einer Sekretärin eine Tochter werden? Sie ist Serkan anscheinend ans Herz gewachsen, falls er überhaupt eins hat. Oder sie war nie wirklich seine Sekretärin, es war ihm nur peinlich. Ich glaube, nach all dem Hin und Her hat sie ihre Familie gefunden. Das ist so herzerwärmend, meinst du nicht auch?" Er merkte, wie der Pandai nur mit den Ohren zuckte und "hmpf" brummte und das bedeutete, er war mit etwas anderem im Kopf. Da entschied er sich, es kurz und schmerzlos zu machen. ,,Ich werde gehen, Shang." Jetzt schaute er auf. ,,Es ist sicherer für die ganze Stadt. Ein Werwolf hat nichts in unserer Gesellschaft verloren. Im Gegensatz zu Ivan, kann ich mich nicht in einen Menschen mehr verwandeln." Der König rieb sich den Nacken und überwand seine traurige Miene. ,,Ich verstehe das, Wolkov.", murmelte er langsam, ,,Du kommst aber wieder, oder?" Wolkov lächelte und klopfte ihm auf die Schulter. ,,Weißt du, Shang, ich werde nie wieder zurückkehren. Und dieses Mal wirklich.", ,,Ich glaube nicht." Die Uhr an der Wand tickte lauter denn je. Oder kam es einem nur so vor? Tick, tack, tick, tack. 

,,Und wen habe ich dann als Meister?", ,,Ha. Ich verrate dir ein Geheimnis... Du wirst immer dein eigener Meister." Shang zog die Mundwinkel hoch, aber wie ein Lächeln sah es nicht aus. ,,Dafür warst du immer ein Freund.", ,,Denk noch mal darüber nach. Erinnerst du dich an unser erstes Treffen? Das war mein wahres Ich... Ich denke immer nur an mich." Soll Shang ihn umarmen? -  Er tat es nicht.

 

,,Bist du bereit?", fragte Ivan den König, der den besten Anzug gefunden hat, den er sich vorstellte. ,,Das wird ein gutes Treffen.", versicherte Serkan, ,,Es muss aber nach Plan laufen. Owen erwartet dich in einem Vieraugengespräch in seinem Büro. Ich muss Mrs. Pablo ablenken, sonst zerstört sie unseren Plan." Ein Schauer lief über seinen Rücken und er zuckte zusammen. ,,Wie ich diese Frau verachte.", ,,Das tuen wir alle, Papa.", fügte Maja zischend hinzu. Shang fuhr fort: ,,Hutmann, Doki, kümmert euch um die Ladungen von Friedrich und... Ivan. Bleibe an meiner Seite!", ,,Das werde ich, mein König. Solange Mit' Rhan da draußen ist, weiche ich nicht von dir."

,,Aber wenn du beim Bürgermeister aufkreuzen willst, brauchst du eine ordentliche Karre.", meinte Interru mit spielerischer Stimme, als hätte er bereits einen Plan, ,,Oder ein fabelhaftes Ross." 

Vor der Tür stand Weißfleck mit wehender Mähne und wunderschönem Sattel. Sprachlos stand sein Besitzer vor dem Tier und schließlich legte er seine Hand auf die große Stirn. ,,Und ich?", wollte Ivan wissen. Shang antwortete: ,,Deine Werwolfsgestalt wird es schon tun. Gib dich einfach als Wolkov aus.", ,,Aber ich bin weiß und er grau.", ,,Wer weiß das schon. Hauptsache dein Name bleibt geheim.", ,,Undercover Plan.", erklärte Interru, ,,So haben wir auch mehr Chancen gegen die Dämonen oder mit welchen Wesen arbeitest du?", ,,Dämonen ist richtig." Ivan wirkte etwas wuchtig oder unwohl. ,,Ich bin Dämonenjäger schon seit 40 Jahren.", ,,Ist doch klasse.", sagte der Mann Mit Dem Hut mit ironischer Freude, ,,Ihr macht hier die Ladung fertig, Doki, ja? Ich werde mir erstmal die Füße vertreten. Elvi, kommst du mit?", ,,Äh, äh, äh- Du arbeitest mit uns, Interru.", ,,Come on, ich bin ein Künstler und reise gerne. Fische in Fässern zu rollen, is not my job." Shang rollte die Augen und ersetzte Interru durch Ilai und Donnerhau, die gerade in die City stolpern wollten. Genervt und enttäuscht stratzten sie zurück zum Steg. Wenn man aufzählen könnte, was sie alles anhatten, bräuchte man zwei Wochen. Sie sahen aus wie zwei Papageien in ihren 50ern mit zwei kuriosen Hunden an der Leine (das waren natürlich Rob und Bob). 

Um es kurz zu halten:

Shang machte sich mit Ivan als weißer, pelziger Bodyguard auf zum Rathaus. Phönix wäre natürlich das etwas hübschere Pferd für diesen Job, aber Weißfleck würde nicht jeden Moment in Flammen aufgehen oder wegrennen. Auch er genoss seinen Auftritt. Mit weiten, grazilen Schritten trabte er durch die Hauptstraße, die Frendlick-street. Wobei seine behaarten Hufe ihn wie ein durchgeknalltes Zirkuspferd erscheinen ließen. Zum Glück bekam er eher wenig Aufmerksamkeit. Alle Handys und die Augen hinter ihnen waren auf Shang gerichtet. Dieser war so voll mit teuren Schmuck, dass er aussah, wie eine Schaupuppe bei einem Goldschmied.

Und ja, das war ein lustiger Moment, der nicht lustig seien sollte.

Sicherlich würde das Internet explodieren nach diesem Moment.

Da war es.

Das Rathaus mit goldenem Dach, sieben Säulen am Eingang und genau 15 Etagen mit jeweils 20 großen Räumen. Die breiten Fenster waren mit antiken Mustern verziehrt und der gräuliche Himmel spiegelte die Laune der Leute in dem Haus. Der gelblich, sommerliche Farbton in dem uralten Sandstein wirkte aber gastfreundlich, wenn nicht gar fröhlich. Als wäre alles in bester Ordnung. 

Trotzdem waren die Gardinen zugezogen.

Der Bürgersteig war gestreut (etwas übersalzen, aber den Hunden, die die Straßen - warum auch immer - ableckten, schmeckte es).

Owen erwartete ihn bereits mit Paparazzi und eingeübter Rede, die ich nicht beschreiben werde, da sie unnütz und langwierig war.

Serkan legte auch einen großartigen Auftritt hin. Mit seiner Tochter und einem großen, weißen Auto fuhr er an den Straßenrand und wurde von Rob, verwandelt in einen Fahrer, rausgelassen. Bob kam als kleiner, brauner Schoßhund raus. Beide Geister waren so begeistert von der Stadt, dass sie sich sehr zusammenreißen mussten, nicht wegzufliegen oder sowas ähnliches zu machen.

Bürgermeister Smith bekam plötzlich schnelle Beine und führte Shang in sein Büro.

Mrs. Pablo flanierte zu Serkan und empfing ihn mit einem kalten Nicken. Jetzt lag alles an ihm.

In der Zeit verschloss Owen die Tür und drückte Shang in den Sessel. Ivan blieb stehen.  

,,So. Du bist also der König.", sprach er klar und ohne jenes Stottern, ,,Es ist mir eine Freude, dich kennenzulernen. Und dich, Wolkov.", ,,Sie stottern garnicht.", bemerkte Shang und wurde nervös. Der dickliche Bürgermeister straffte die Schultern und fummelte mit seinen Wustfingern an den goldenen Messingknöpfen. Er erklärte (dabei wackelte er mit den Beinen unter dem Tisch): ,,Eine Sicherheits-maßnahme. Ich werde rund um die Uhr überwacht. Es hat einiges gebraucht, um die Kamera hier auszuschalten. Wir haben nur ein kurzes Zeitfenster." Er lehnte sich vor. ,,Mit' Rhan ist im Keller des Rathauses. Von da aus hat er die ganze Kanalisation im Überblick.", ,,Wieso erzählen Sie mir das?", ,,Hör zu! Ich bin nur eine Marionette in einem großen, unsichtbaren System, welches Taifun schon vor vielen Jahren erbaut hat. Trotzdem habe ich Zugriff auf Daten. Ich will, dass ihr Mit' Rhan rauslockt und ihn besiegt.", ,,Und wir wollen, dass Ihr den Zug nach Tridàs aufhaltet.", mischte sich Ivan wutentbrannt ein, ,,Meine Enkel und meine Schwiegertochter werden in den Tod fahren.", ,,Das ist mir klar, Wolkov, aber das liegt nicht in meiner Hand..." Er trommelte mit den Fingern auf den Tisch und seine metallblauen Augen suchten im Raum nach etwas. Er durchwühlte seine Schubfächer und seine Taschen bis er einen kleinen USB-Stick rauszog. ,,Aha, da ist er- Das sind unzählige Daten von Taifuns Plänen und Spionen. Mit diesen Daten könnt ihr Mrs. Pablo erpressen. Ansonsten... kann ich nichts für euch tun... Erzählt möglichst wenigen von dem Stick. Wenn es der Verräter erfährt, bin ich wahrscheinlich nicht mehr am Leben um euch zu unterstützen. Und jetzt verschwindet ihr zwei. Schnell!", ,,Könnt Ihr uns noch einen Gefallen tun?", ,,Hm?", ,,Ein Werwolfsamulett. Habt ihr eins?" Der Bürgermeister schüttelte den Kopf, aber gab einen Tipp. ,,Mustafa, der hat immer etwas."

Ivan und Shang verrschwanden aus dem Gebäude, als hätte es sie nie da gegeben.

 

Die Nacht nahte schnell und kalt anrollend. Shang und der Rest des Teams saßen mit warmen Dönern und einem Werwolfsamulett im Hinterhof von Serkans Haus. Die Laterne über ihnen leuchtete feurig und das Lagerfeuer vor ihren Gesichtern auch. Pieksi versorgte alle mit Decken, streichelte den müden Vivaldi am weichen Kopf und striegelte Weißsflecks dichte Mähne. Doki schaute sie an und holte sie zu den anderen. ,,Wir bleiben jetzt zusammen, Schatz. Ruhe dich aus. Hier ist nicht unsere Farm... Sagen wir, unser Urlaub." Sie lächelte und strich ihm über die Wange. ,,Schon gut. Nur bin ich besorgt wegen Wolkov.", ,,Wenn er zu uns kommt, sind wir bereit.", ,,Und was ist mit anderen Passanten?" Ivan schreckte urplötzlich auf und schrie: ,,Arcadij! Borislav! Sie wollten zu uns kommen.", ,,Wer ist das? Und was wollen sie hier?", zischte Interru und Elvinaria griff zu ihrem Schwert. Shang erklärte, sie seien Ivans Enkel und Arcadij sei sein Klassenkamerad, der ihn früher verprügelt hatte. Ivan raste in Wolfsform aus dem Haus. Shang hinterher. ,,Jetzt brauche ich dich, Kumpel.", murmelte er und hoffte nur, dass Phönix auftauchen würde.

 

Borislav lief mit gesenktem Kopf neben seinem großen Bruder, der hin und her schaukelte, als wäre er auf etwas wütend, hatte aber keinen richtigen Grund. ,,Kannst du einmal ruhig sein?", flüsterte er. ,,Was laberst du?", fauchte Agro, der tatsächlich aggro war, ,,Halt einfach dein Maul.", ,,Habt ihr euch schon wieder gestritten?", ,,Was geht dich das an?!" Borislav wusste von Anfang an, dass das nicht gut enden würde mit Mel und ihm. ,,Lass gut sein, Arcad... Sie ist nicht die Richtige.", ,,Weißt du nicht.", ,,Sie liebt dich nicht." Als wäre er vom Blitz getroffen, wirbelte Ark umher und krallte sich in Borislavs Schultern. ,,Hör zu, Mützi, ich bin weitaus erfahrener als du und stärker. Ich weiß, wie man Mädels klärt und du hast es nicht einmal versucht. Lass... mich einfach in Ruhe!" Unangenehmes Schweigen. 

Sie liefen weiter.

Halbmond über ihren Köpfen, beschmierte Wände, verdreckte Straße. Weiße Katze in ihrer Nähe. 

Auf einmal hörten beide ein grausiges Knurren. 

,,Bist du das Arcad?", ,,Knurre ich etwa so?!" Sie beschleunigten etwas. Plötzlich ertönte Mädchengelächter in der Seitengasse und Jasmin, Gerda und Lia tauchten auf. Die Jungs hielten inne und die Gruppen wechselten sagenhafte Blicke. Da rief Borislav: ,,Hey, Mädels, kommt her!" Mit weiteren Gelächter hüpften Lia und Jasmin zu ihm. Gerda rief: ,,Geht schonmal vor. Ich- äh... Komme nach."

Arcadij rannte möglichst weit nach vorne, weit weg von Gerda. ,,Du bist beschämend.", murmelte Borislav ihm zu. ,,Was?!", ,,Rede mit ihr und entschuldige dich.", ,,Ich zeig dir gleich, entschuldigen!" Sein Bruder hielt seinem brennendem Blick stand. Beide hatten die selben Augen. Das wurde langsam kribbelig zwischen ihnen. ,,Nagut. Nerv mich nur nicht! Wenn sie anfängt, von ihren Büchern zu labern oder von Schule, gehe ich nach Hause."

Er ging etwas langsamer und rückte immer weiter nach hinten. 

Schließlich schlichen beide nebeneinander, aber keiner sagte etwas. 

Es wurde immer kühler. 

Ein Streifen Eis breitete sich an den Dächern aus. Eiszapfen bildeten sich. Ein Heulen erschallte von weitem, aber sie dachten sich nichts dabei. Bestimmt nur Hunde aus der Nachbarschaft.

,,Äh... Hi.", ,,Guten Abend, Arcadij." Er lockerte seine Schultern und kratzte am Kinn. ,,Glaubst du, der Frühling wird kommen, wie immer?", ,,Sicherlich." Er wurde etwas schneller. ,,Sorry, wegen... Damals... Gestern...", ,,Aha.", ,,Was willst du eigentlich?!", fauchte er plötzlich, ,,Mein Bruder zwingt mich, mich zu entschuldigen und du nimmst die Entschuldigung nicht einmal an!" Sie erwiderte: ,,Das liegt daran, dass du es nicht ernst meinst. Außerdem habe ich dir schon verziehen.", ,,Spiele jetzt nicht die Schlaue."

,,Tue ich?"

,,Natürlich. Immer! Das ist so nervig. Kannst einfach nicht dein Maul halten."

,,Entschuldigung? Ich glaube, das große Maul hast du."

,,Habe ich?!", ,,Hast du!", ,,Schön!"

Schweigen. Aber nur kurz. Arcadij fing gleich wieder an: ,,Du spielst dich bestimmt nur auf, was zu wissen.", ,,Weißt du mehr?", ,,Ich weiß viel mehr."

,,Ist das so? Das wusste ich garnicht."

,,Jetzt weißt du es. Ich kann alles besser, als du.", ,,Sicherlich.", ,,Halt doch einfach dein Maul, wenn ich mit dir rede! Frauen...", ,,Glaubst du, wir tanzen nach der Pfeife der Männer?", ,,Ihr werdet heiraten und in der Küche für den Mann kochen. Ja, ihr tanzt nach unserer Pfeife!" Er knirschte mit den Zähnen, sog die kalte Luft ein und schniefte. 

,,Sei froh, wenn du überhaupt eine Frau bekommst.", sagte Gerda leise, in der Hoffnung, er würde es nicht hören.

,,Ich habe bereits eine!" Sie spitzte die Lippen und setzte ein komisches Grinsen auf. ,,... Hast du überhaupt einen Freund?", ,,Nein.", ,,Siehst du? Was willst du mir schon erklären?" Er plusterte sich etwas auf und pustete warme Luft in seine Jacke. ,,Und wenn schon. Ich brauche keine Frau. Liebe ist viel zu überbewertet! Ich werde einmal der beste Fußballer, den Nonngard jemals gesehen hat.", ,,Sicherlich. Und ich werde in der ersten Reihe sitzen und dir zujubeln.", ,,Wirst du nicht.", ,,Du wirst auch kein Fußballer." Er musste sich echt zusammenraffen um nicht zu explodieren.

Zum Glück, oder zum Unglück unterbrach ein weitaus beunruhigendes Geräusch die angespannte Situation.

Ein grollendes Knurren hörten die Jugendlichen auf den Dächern.