Eingesperrt

Lila. Ihre stechenden Augen starrten ihn an, als ob sie genau wüsste, dass sie gewinnen würde. ,,Du versuchst dich unter uns zu mischen, damit du ins Dorf kommst? Schlau." Sie antwortete nicht, sondern starrte ihn weiter an. ,,Wieso antwortest du nicht?" In diesem Moment sprang sie auf Nero und schlug dem Armen einen Pfeil in den rechten Flügel. ,,Oh nein." Langsam, aber sicher, sanken sie auf die immer-grünen Dachkronen des Jungels. Nero hielt sich noch keuchend in der Luft, aber ihm ging der Atem aus. Shang musste den Pfeil aus der Schwinge ziehen. ,,Was macht er bloß?", fragte Baihu laut. ,,Vollidiot. Die Route geht da lang!", ,,Vielleicht steckt er in Schwierigkeiten.", ,,Unwahrscheinlich. Er hat den Segen des Drachen und Nero." Damit flogen sie davon.

Vorsichtig seilte sich der Halbpandai an den langen Federn ab zum Bauch und streckte seine Pfote nach dem Pfeil aus, erreichte ihn aber nicht. Als er versuchte näher an ihn zu rücken, traf ihn der Fuß von Lila (die auf Nero ritt) an der Hand. Ganz kurz hätte er losgelassen, aber blieb standhaft. Der Himmel war unter ihm und die Bäume über ihm. Jetzt würde er sich wirklich übergeben, jedoch hatte er nur diese Möglichkeit und erreichte mit etwas Schwung den Pfeil und riss ihn aus dem Flügel. Der Blaue kreischte und Lila traf nochmal nach ihm. Nero drehte seinen langen Hals nach ihr und lenkte sie mit kräftigen Bissen ab. Shang ließ den Pfeil fallen (und traf ausversehen eine Myrmex-arbeiterin). Jetzt wollte er wieder auf den Rücken, weil ihm sonst so übel werden würde, dass er runterfiel. In den engen Wald. Doch beim Versuch aufzusteigen, stieß ihn Lila vom Tier und sprang selber auf ihre eigene Amphitere. Jetzt war es vorbei. Vorbei mit ihm. Oder? Er hatte nur eine 1% Chance diesen Sturz zu überleben. Und er war nicht Tarzan, um sich an Lianen abzufangen. Was. wenn seine Freunde ihn niemals finden und er für immer auf den Ästen gammeln würde? Was, wenn er niemals seinem Bruder sagen würde, wie sehr er ihn liebte oder Wolkov niemals umarmen würde, obwohl er wie ein Vater für ihn war (jedenfalls die letzten Tage)? Doch, auch wenn er verletzt war, fing ihn Nero auf und kugelte mit ihm auf das sicherste Blätterdach. ,,Danke, Nero. Jetzt kann ich vielleicht doch noch Wolkov umarmen." Nero zeigte ihm seinen blutverklebten Flügel. ,,Das kriegen wir wieder hin, keine Sorge." Da fiel ihm schlagartig etwas ein. Es war nicht das Beste was er tun konnte, aber einen Versuch war es wert. ,,WOOOLLKOOV!!!!" (Bei diesem Schrei riss er sich beinahe die Stimmbänder. Das war garnicht nötig, weil Wolkov ihn und Lila, selbst von so weiter Entfernung, gehört hatte und sich von Liane zu Liane hangelte um dem Lärm zu folgen)

Wie ein Meteorit stürtzte Lila vom Himmel und ihre Augen durchbohrten sein Selbstbewusstsein. ,,Maschine.", murmelte er und wich dem ersten Pfeil aus. Sie rannte um ihn und schoss von allen Seiten ihre Witherpfeile, denen er zum Glück ausweichen konnte. Da stellte sie ihm ein Bein und er fiel auf seinen Rücken. Und jetzt? Ihr Bogen surrte, aber keine scharfe Spitze durchbohrte sein Fell. Nero fing es mit seinem Schwanz ab, fauchte und biss Lila in den rechten Arm (mit dem sie versucht hatte, ihn abzuwehren) Lila war aber nicht doof. Sie nahm einen Pfeil und rammte ihn in seine Schulter. Nero schrie auf und sie sprang ihm auf den Rücken. Nun war Shang wirklich in Schwierigkeiten. ,,Hilfe." Sie hielt ihren Knochenbogen auf ihn gerichtet, doch da kam Wokov und stieß sie von der blauen Amphitere. Sein graues Fell wippte bei jeder Bewegung mit und seine Augen glühten zornig. (Jedenfalls das linke Auge) Nun standen sich Jägerin und ehemaliger Anführer mal wieder gegenüber. ,,Lila, lernst du denn nie? Es reicht! Werde wieder wie damals. Meine beste Jägerin. Die Treueste und Klügste von allen." Nach einigen Momenten fragte er sie: ,,Wieso redest du nicht mehr?" Und dann geschah etwas sehr unerwartetes. Sie zog ihre Maske aus und zeigte ihren Mund. Er wahr zugenäht und mit Eisen geschlossen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen und sie ließ sich auf die Knie fallen. ,,Taifun?" Sie nickte weinend und zeigte ihm Wunden von Peitschen und Foltergeräten. ,,Dieser... Unmensch. Das ist alles meine Schuld." Er senkte den Kopf. ,,Ich habe ihn allein gelassen und jetzt wird er sich rächen. Aber wieso musste er dir das antun?" Lila wischte sich das salzige Wasser aus dem Gesicht und blickte ihn bitter an. Sie nickte stumm, zog die Maske an und flog mit ihren Flügeln davon.

Danach half Wladimir Shang und Nero vom Baum und zusammen sind sie ins Dorf geschlichen. Dort war Siegesfeier und Han wurde mit Blühten überworfen und von den Dorfbewohnern getragen. Li kläffte: ,,Wo wart ihr? Und was im Drachens Namen ist passiert, dass du nicht den Sieg für deine Familie getragen hast?!", ,,Er wurde von Lila angegriffen.", ,,Diese verfluchte... Nun. Ich hatte mir etwas besseres erhofft, aber es ist, was es ist. Jetzt lasst mit dem Wiederaufbau das Hauses beginnen." Die Überleitung war so schnell, dass Shang nicht verstand, wieso alle sofort aufstanden und anfingen zu bauen.

Donnerhau beschwerte sich die ganze Zeit, dass er sich extra für Shangs Sieg rasiert hat, aber er nicht gewonnen hatte. Beim Abendmahl grübelte Li ein bisschen und sprach dann ganz laut: ,,Ich bin sehr froh, dass wir den Aufbau schon in wenigen Tagen fertig-stellen können und dass Han gewonnen hat, aber es gibt eine Ungerechtigkeit! Shang, der gegen die gefährliche Lila gekämpft hat, wird nicht belohnt! Deswegen hier meine Belohnung." Er stand abrupt auf und rief: ,,Hiermit erkläre ich ihn zu meinem Stellvertreter." Shang 2 spuckte sein Wasser in das Gesicht von seinem Gegenüber. ,,WAS?!", ,,Ich wollte es schon bei unserer Begegnung. Shang ist direkter Abstammung von mir, also mein Nachfolger. Außerdem hat er seine Tapferkeit oft genug bewiesen. Und ich will keinen Verschwörungs-theoretiker als zweite Oberhand haben! Seeschlange im Fluss. Ich glaub, mein Schwein pfeift." Shang 2 brüllte: ,,Nur wegen mir leben diese zwei Bengel überhaupt! Ich habe ihre Mutter vor der Seeschlange gerettet, damals! Ich habe sie geliebt, wir wollten heiraten und auf ewig zusammen bleiben, aber dann kam Leon und nahm sie mir weg!! Trotz meines Hasses auf ihn, werde ich auf sie aufpassen. Ich habe es ihr versprochen. Du- Du- Du hast die Schlange gesehen und jetzt nutzt du diese Tatsache gegen mich aus!", ,,GENUG! DU bist nicht mehr mein Stellvertreter. Und wenn du nur ein Wort über deine erfundenen Schlangen verlierst..." Er drohte mit dem Zeigefinger. ,,Dann verlässt du dieses Dorf für immer. UND WIDERSPRICH DEINEM ANFÜHRER NICHT!!!" Shang_Xi 2 riss die Binde von seinem Arm und zeigte jedem seine übergroße Narbe. Es war offensichtlich (sehr offensichtlich) der Biss einer Seeschlange. Ihre typischen spitzen Zahnreihen und sehr tief im Gegensatz zu einer Hydra. ,,Das ist der Biss von der Schlange, die unsere Ernte mit ihrem Schwanz zerstört. Glaubt es oder nicht." Li zischte: ,,Es reicht. Verlasse AUGENBLICKLICH das Dorf!" Shang 2 widerprach garnicht, sondern strich sich sein weißes Fell und die schwarzen Flecken glatt und ging. 

(Einige Tage später)

In dem Dorf war Stille das Lauteste. Nebel legte sich über die Gassen und Blätter trug der Wind von den Sümpfen zu dem Jungel her. Eine sanfte Kühle ging jedem unter die Haut, aber sie war befreiend, nicht unangenehm. Das Haus wurde wieder repariert und trotz der Stille war eine glückliche Stimmung. Bo hatte heimlich eine Amphitere gezähmt und sie hinter dem Hügel versteckt. Das wusste Interru, weil er mit Elvinaria immer zum Gipfel ging und sie die Amphiteren beobachteten. Wolkov und Shang trainierten jeden Tag und ich will nicht ins Detail gehen. Auf jeden Fall haben sie trainiert und haben mit Schwertern gekämpft. (Holzschwerter) 

Eines Morgens rief Li sich seinen jüngeren Enkel zu der Insel. 

,,Großvater?", ,,Gefällt es dir hier?", ,,Ja, sehr sogar.", ,,Das ist schön." Er grinste, prüfte mit seiner schwarzen Nase die Luft und glättete seinen grauen Vollbart. ,,Setz dich neben mich, Junge." Shang tat das und lehnte sich entspannt an den Baum. ,,Ich bin alt, unglaublich alt. Mein Platz wurde seit Generationen immer den Verwandten übermittelt. Da ihr jetzt hier seid, muss ich dich fragen: Wenn es dir hier so gefällt, willst du vielleicht hier bleiben?" Shang hatte diese Frage schon erwartet, aber lehnte nicht gleich ab. Er liebte es, wenn er aufwachte und alle schon auf ihn warteten und ihn freudig begrüßten, er liebte den großen Trainingsplatz, den Schatten der Baumriesen und den Geruch von getrockneten Kräutern, der immer aus Lien's Haus strömte. Er hat beobachtet, wie Ilai und die anderen sich so gut hier eingewöhnten, jedoch wusste er, dass sie schon entschieden haben weiterzugehen. ,,Es tut mir leid, aber... Wir haben eine Mission." Li nickte langsam, schloss die Augen und atmete ein paar Mal entspannt durch den Mund.

,,Dachte ich mir schon. Du hast einen starken Charakter. Wie deine Mutter.", ,,Ich erinnere mich nicht mehr an sie.", ,,Natürlich nicht. Sie wurde gleich nach deiner Geburt von jemanden entführt und dein Vater hat dich nie zu Gesicht bekommen. Er... wurde von Taifun erstochen, weil er ihn verraten hatte. Er hatte als Spion für ihn gearbeitet, aber verliebte sich in meine Tochter und naja... Er wechselte die Seite." Er öffnete seine Augen wieder und holte den mystischen Edelstein aus dem Inventar. ,,Weißt du was das ist?", ,,Der Edelstein, den mir mein Onkel, also dein Sohn, gegeben hat.", ,,Es ist der legendäre Edelstein der Wächter. Er war von deinem Vater, der ihn meinem Sohn gab und er dir. Du gabst ihn mir.", ,,Aber was kann er besonderes?", ,,Komm mit!" Er stützte sich an seinem Stab ab und humpelte mit Shang an seiner Seite in sein Zimmer. Es war ausgeschmückt mit Gold und Silber. Von der Decke hingen Diamanten und die Stühle waren aus jahrhundertealten Schwarzeichenholz. (Dafür dass er im Dorf lebte, war er sehr königtlich. Woher er wohl das alles hatte...) Ich könnte stundenlang über sein Reichtum labern, aber jetzt zur Sache. 

Er stellte den Stein auf eine Platte und leuchtete aus einem bestimmten Winkel mit Glowstone auf ihn ein. Auf einem Blatt Papier erschien ein Umriss einer Zeichnung. Ein Mensch, der den Stein hielt und eine Seeschlange, die er damit besiegte. ,,Was hat das zu bedeuten?", ,,Die Seeschlange gibt es wirklich.", knurrte Li, ,,Ich habe sie damals gesehen." Shang sah ihn entgeistert an. ,,Und du hast Shang_Xi wegen deiner Lüge verbannt?!", ,,Wenn er das im Dorf rumerzählt, werden sie denken, ich habe es nicht mehr unter Kontrolle." Shang fiel sofort ein, dass Bo eine Brücke über den Fluss baut und wollte die Tür aufreißen und rausrasen, doch Li versperrte ihm den Weg und trat ihm ans Knie. ,,Ich allein bringe das in Ordnung und du mischt dich nicht ein! Der Stein gehört mir und ich werde mit ihm die Gefahr beseitigen. Es ist zu gefährlich für dich.", ,,Du hast alle angelogen!", ,,Das tut mir auch leid, aber ich muss meinen Ruf bewahren.", ,,Und Bo?", ,,Was ist mit ihr?" Shang knirschte mit seinen Zähnen. Soll er sie verraten oder nicht? ,,Sie baut eine Brücke für die, die aus dem Dorf flüchten wollen. Über den Fluss!" Li glühte vor Zorn. ,,Diese Göre! Ich werde ihr noch Respekt beibringen müssen, wenn sie sowas macht. Danke für deine Info. Ich werde mich darum kümmern." Er öffnete die Tür und knallte sie zu. ,,Du bleibst vorerst hier. Denk darüber nach, ob du wirklich das Dorf verlassen willst."