Der Bergpass

Serkan stand vor dem Glasfenster und betrachtete die Waffen, die seine Familie seit Generationen produzierte, die ihm Geld brachten. Captain Black stand im Eingang und seine blauen Augen sahen ihn direkt an. ,,Ich habe auch ein schlechtes Gewissen, Cap! Mach es nicht noch schlimmer, bitte." Ihre Blicke trafen sich und Serkan schritt auf den Wolf zu. ,,Du willst zurück, oder?" Cap nickte. Er legte seine rechte Handfläche auf die schwarze Schnauze. ,,Ich werde etwas ändern, okay? Der Tod deines Bruders wird nicht einfach geschehen sein, mein Freund." Thando landete unmittelbar hinter Captain und fragte: ,,Was hast du vor?", ,,Ich weiß es nicht, aber wenn es verrückt ist, sei mir bitte nicht böse, Thando." Der Drache neigte den Kopf. ,,Ich werde ihn begleiten.", ,,Tu das." Die Riesenwölfe bildeten eine Reihe und schlurften erneut durch den Schnee.

,,Und jetzt? Das Team packt schon.", meinte Maja. ,,Und du?", ,,Ich bin Teil des Teams." Er lächelte schmal. ,,Wärst du gerne bei mir geblieben?", ,,Ja.", ,,Du kannst es. Wenn du dich gegen die anderen entscheidest." Sie kaute auf der oberen Lippe. Sie meinte nur: ,,I don't know. Führst du uns über die Berge?" Er zündete seine Pfeife an und nickte. ,,Juhu! Das muss ich sofort Ilai erzählen! Interru und er würden sich sehr freuen!" 

Nur eine Stunde später setzten sie ihre Reise fort. Es war windstill und sie konnten ihr Ziel nicht verfehlen. Ihre Beine versanken im Schnee. Es war kalt. Es war seelenleer und gerade. Dragunia und Vivaldi hüpften wie Flummis auf der glatten Oberfläche.

Dann begann der Aufstieg.

Serkan trug dicke Winterstiefel und eine Lederjacke, trotzdem war er bis zur Hüfte durchnässt. Pause konnten sie jedoch nicht machen. Bo schaute keuchend zurück. ,,An was denkst du?", fragte Wolkov mit warmen Ton. ,,Ich war noch nie so weit weg von zuhause entfernt.", murmelte sie, ,,Ich... Hätte ich bei ihnen bleiben sollen?" Der Werwolf legte seine Pfoten auf ihre Schultern. ,,Zweifel nicht an deinen Entscheidungen. Du hast nicht die Kraft, ihre Folgen zu verändern, sondern das Beste aus ihnen zu machen. Bei uns bist du gut aufgehoben, Bo. Wir bringen dich in Sicherheit." Sie ging nickend an ihm vorbei. Wolkov schaute noch einmal ins Tal. Captain Black schaute mit weisen Augen zu ihnen und gab ihm Kraft. Kraft eines Wolfes.

So schritten sie weiter. Serkan war sehr nachdenklich und achtete nur auf das Geradeaus. Irgendwo in der Ferne kreischte ein Adler. Sein Schrei wurde zerbrochen und in alle Richtungen verweht. Steine rollten die Berge hinunter und sammelten sich in den dünnen Tälern und Schluchten. Wolken verdeckten die Kuppen der grauen Berge. Schnee lag am Horizont und vermischte die Landschaft. Sie sah aus wie Zähne, gerade Zähne, die in den Himmel ragten. Der Pfad war bröckelig und kurvig. Kein Anhalten war möglich. ,,Der Maalberg.", rief Interru fasziniert, ,,Der größte Berg der Welt! Er steht zwischen der Tundra, dem Sultanreich und dem Königsland. Wir sind schon sehr nah." Sein Atem ging wie Rauch zu den grauen Wolken über ihren Köpfen.

In der Nacht bestiegen sie den nächsten Berg und blickten zurück. ,,Da! Seht! Polarlichter!" Ein hellblauer Schleier zog sich über den schwarzen Nachthimmel und leuchtete die Berge an wie grünes Feuer. Farbenfroh, hell und wunderschön. Alle mussten lächeln, außer Serkan. Dieser beobachtete Shang_King sehr genau. Er rauchte eine große Zigarre und hielt diese zwischen zwei Fingern. ,,Doki, auf ein Wort bitte.", sagte er plötzlich und zog Shangs Bruder hinter einen Felsen. Shang schlich ihnen hinterher. Er mochte diesen Serkan nicht sonderlich. Trotz seiner Gastfreundschaft schien er sich über ihn lustig zu machen.

,,Ihr stürtzt euch ins Verderben, Doki. Der Pandai wird es nicht lange schaffen als König. Er ist zu jung und zu abgelenkt. Er gibt keine Befehle!", ,,Was soll das heißen, Serkan?", ,,Er ist nicht bereit. Ich meine- schau ihn dir an. Er ist kein König. Völlig fehl am Platz.", ,,Dafür hat er aber die Kraft der Freundschaft." Serkan pfauchte: ,,Freundschaft, Freundschaft! Das braucht man nicht als Regierender.", ,,Erzähl du mir nichts von Freundschaft!"; knurrte Dokitura, ,,Du warst immer für uns da und dann einfach abgetaucht, zerstreut. Du führst dich auf, wie ein Held, der die Wölfe rettet, bist du aber nicht. Wenn du die Möglichkeit hättest, würdest du nur dich selbst retten und lässt den Rest im Dreck tappen. Wie immer.", ,,Tz. Interru doch auch." Serkan senkte seinen Kopf und fuhr sich hektisch durch die Haare. ,,Ich führe euch sicher über den Maalberg. Dahinter ist eine Schlucht. Dort leben Goblins, also passt auf." Beleidigt zog er sich zurück.

Tage verstrichen. Das Wetter wurde klarer, aber der Berg schien nicht näher zu kommen. 

Eines Abends jaulte Wolkov auf. Noch nie hat er sich so erschreckt und dabei die anderen angesteckt. Selbst Serkan ließ vor Schreck die Zigarre fallen. ,,Mein Amulett! Es ist weg!!" Panisch wirbelte er den Schnee auf, trat Steine beiseite und heulte mit bebenden Bändern. Alle suchten mit. Es war ein Werwolfsamulett, ohne dieses könnte er seine Lykanthropie nicht kontrollieren. In all der Sucherei stieß Ilai ausversehen die Tasche von Interru um. ,,Oh, das tut mir leid.", ,,Pass nur nächstes Mal besser auf.", meinte dieser und hob sie schnell auf. ,,Warte." Serkan trat auf ihn zu. ,,Kann ich mal kurz?" Er streckte seine linke Hand nach der Tasche aus. ,,Warum?", ,,Ich will nur kurz etwas überprüfen.", ,,Und wenn ich nicht will?" Interru drückte sie an sich, doch Serkan entriss sie ihm augenblicklich. Der schwarze Reiter konnte nicht einmal: ,,Gib sie mir zurück!", sagen. Der Reiche wühlte in ihr rum und hielt etwas Goldenes in die Luft. Er sprach seelenruhig: ,,Ist es das?" Wolkov rieb sich die Augen. ,,Ja! Ja, das ist es!" Erleichtert hing er sie um und atmete aus. Alle starrten nun Interru an. ,,Was hat er noch in seiner Tasche?", sagte Maja mit zornigem Blick. Serkan holte eine Karte raus. Die Karte. Die, die sie kurz vor Noràli verloren haben. Wie erstarrt waren alle plötzlich. ,,Interru. Was hat das zu bedeuten?", murmelte Dokitura fassungslos.