Fliehen vor dem Feuer
Der Wendigo schlich in die Hütte. Sein rasselnder Atem wurde langsamer. Er zupfte sich die Blätter von den Hörnern und verwandelte sich wieder in einen Wolf. ,,Guten Morgen, allerseits." Dokitura gähnte: ,,Ich war schon einmal früher wach. Ich werde alt.", ,,Wir alle werden alt.", lachte der Erwähler, ,,Außer ich. Nun denn. Steht auf! Füllt eure Vorräte auf. Macht das, was ihr wollt und hört, was ich euch zu sagen habe." Anduin streckte seinen schwarzen Kopf durch die Tür. Der Wendigo knurrte und sie schloss sich augenblicklich.
Sie standen alle auf, nur Donnerhau nicht. Mit verschränkten Armen lag er im Bett und kaute auf einem vertrockneten Grashalm. ,,Es gibt gute und schlechte Neuigkeiten. Taifun ist in Noràli und sucht nach euch. Und zwar überall. Die gute Neuigkeit ist, dass wir hier vorerst sicher sind. Aber ihr könnt hier nicht ewig bleiben. Jedes Lebewesen, welches sich hier aufhält, nimmt einen Teil meiner Energie.", ,,Wir sind ruckzuck wieder weg.", sagte Ilai, ,,Ich bin trotzdem am verhungern!" Der magische Wolf zauberte ihnen köstliche Speisen auf einen schwebenden Tisch. Zwischen dem Team herrschte Stille. Ilai hielt das nicht aus und rief: ,,Jetzt reichts mir auch! Sagt mal was!", ,,Was denn?! Es ist eh alles klar.", schrie Donnerhau. ,,Nein, ist es nicht! Reiß dich endlich zusammen, Donnerhau! Du bist nicht der Mittelpunkt der Welt!", ,,Du etwa?", ,,Nein. Ich nicht.", ,,Eben. Also halt die Klappe." Er riss sich ein Stück vom Schweineschenkel ab und schluckte es schmatzend runter. ,,Nur weil du mich in der Schule vor den bösen Jungs beschützt hast, heißt das lange nicht, dass du von mir eine Sonderbehandlung bekommst, Freund.", sprach der Bäcker mit zitternder Stimme, ,,Das musste mal gesagt sein!", ,,ICH. BIN. NICHT. DEIN. FREUND!!", ,,Leute, beruhigt euch!", sagte Doki dazwischen. ,,Du auch nicht, Dokitura! Hälst dich für was besseres, weil du meine Nichte liebst.", ,,Was fällt dir ein?!", ,,Ruhe jetzt, poschalusta (bitte)!", ,,Halt dich da raus, Wolkov! Donnerhau und ich haben ein Hühnchen zu rupfen.", ,,Sei still, Dokitura! Ich bin der Älteste!", ,,Ich glaub, ich träume! Du hast mir garnichts zu sagen, Werwolf." Und immer durcheinander. Dokitura gegen Donnerhau. Ilai gegen sich selbst. Wolkov gegen alle. ,,RUHE!!!", heulte der Wendigo und eine Welle dunkler Magie flog über den Boden. Alle setzten sich sofort hin. ,,Macht euer Zeug und macht euch auf den Weg! Jede Minute kann der Schutz brechen, wenn ich zu schwach werde."
Maja und Ilai gingen Fischen, während Donnerhau Holz hackte, Interru und Elvinaria die Tiere pflegten, Bo mit den Drachen und Vivaldi spielte und Dokitura Phönix streichelte. ,,Hier bist du also.", sprach Shang_King, ,,Hängst mit meinem Feuergeist rum.", ,,Ich wollte nur, dass er, wenn möglich, eine Nachricht an Pieksi überbringt." Er seufzte. ,,Ich vermisse sie schrecklich.", ,,Das macht Phönix. Er gibt ihr ein Zeichen, dass wir noch leben." Er klopfte gegen den breiten Hals des Tieres und er gallopierte los. Doki schaute ihm hoffnungsvoll hinterher. ,,Bald geht es wieder zurück.", ,,Ich wünschte, ich hätte Weißfleck an meiner Seite." Doki hockte sich hin. ,,Ich fürchte, wir müssen ihn zurück lassen.", ,,WAS? WIESO?!", ,,Taifun hat wahrscheinlich die Grenzen verstärkt. Wir können das Risiko nicht eingehen." Shang hätte geweint, aber Wolkov sagte, wenn es nichts zu machen gibt, muss man nicht weinen, sondern akzeptieren.
Am nächsten Tag brachen sie vollbepackt mit Fisch und Brot auf. Der Wendigo und seine Hütte verschwanden allmählich im Nebel und sie standen wieder am anderen Ufer des klaren Sees. Der kalte Wind wehte von der Küste, die Sonne schien und das Wasser schäumte am Ufer. So ging es die ganze Zeit. Ohne ein Wort.
Sie umgingen den Sumpf. Das dauerte für sie etwas länger, war aber sicherer. Auf Taifun trafen sie nicht, aber auf seine Handlanger. Mit Speeren aus dunkler Magie, roten Umhängen, goldenen Helmen und einem Blick, der einen erschaudern ließ. Aber auch wenn sie so gefährlich aussahen, bemerkten sie sie nicht. Und wenn, kümmerte sich Wolkov darum. Wie ein Blitz schoss er durch ihre Reihen und stieß jeden von der Klippe, der es nur wagte das Schwert vor dem König und seinem Schützling zu erheben. Doch an einem Tag konnte er ihn nicht beschützen.
Rauch schwebte in der Luft. Ein dunkelgrauer Streifen voll Angst und Tod im hellblauen Himmel. Unter ihm: Helle Flammen, die wie aus der Hölle an der Leiter des Rauchs empor stiegen. Ein stechender Geruch breitete sich über den Boden und drängte den grünen Dunst des Sumpfes zurück. ,,Das Dorf!" In höchter Eile rasten sie über die Brücke. Bo rief nach ihren Eltern. Verzweifelt und angsterfüllt starrten sie in das Feuer. Ein großes Feld aus grellem Licht. Shang_Xi kam auf Neo angeflogen. In der Hand sein Bambusstab. Seine Kleidung war verkohlt und zerrissen. ,,Ihr kommt gerade rechtzeitig! Taifun hat uns angegriffen!", ,,Das sehen wir auch.", knurrte der Waffenschmied.,,Interru, Elvinaria, Doki, holt die Überlebenden aus dem Feuer! Ilai, Maja, Bo, führt sie raus. Wolkov, Donnerhau und ich erledigen Taifuns Untertanen.", ,,Aber Bruder!", ,,Nicht jetzt, Doki! Das war ein Befehl."
Sie rannten in drei verschiedene Richtungen. Auf einem Hügel stand der Verwüster mit Taifun auf seinem Rücken. Neben ihm die Schreckenskönigin in einer Kutsche und Elvis auf einem gewöhnlichen Pferd. Um sie herum eine Schar schwarzer Reiter. ,,Shang_Xi! Hier unten!", rief Shang 2 (der noch nicht wusste, dass Shang jetzt Shang_King heißt). Wolkov hastete von Mauer zu Mauer und legte jeden Handlanger um. Donnerhau bohrte sich durch die Massen. ,,Das schaffen sie bestimmt für paar Minuten alleine.", dachte sich Shang unüberlegt und rannte die Treppen eines Gebäudes runter. Lien kniete vor einem weißen Bett. ,,Dein Großvater schlecht geht. Er zwei Tage sehr krank." Shang 1 neigte dein Kopf über Li. ,,Ah *starkes Husten* Ihr seid hier.", ,,Genau rechtzeitig wie man sehen kann." Er versuchte zu lächeln. Dokitura kam hereingestürtzt. ,,Was ist passiert?", ,,Li liegt im Sterben.", antwortete Shang_Xi mit gesenktem Kopf. Doki kniete sich vor seinem Großvater und hielt seine Tatze. ,,Es tut... mir schrecklich leid, was ich euch... angetan habe. Meine Enkel. Aber ihr müsst mir noch einen Gefallen tun." Er zog eine Kette mit einem Schlüssel unter dem Hemd hervor. ,,Flieht! Unter dem Tempel liegt ein Geheimgang. Der Schlüssel öffnet ihn. Bringt die Pandai in Sicherheit. Bitte ", ,,Das werden wir.", versprach Shang 1. ,,Shang_Xi. Und auch zu... dir war ich *hust* sehr respektlos. Lass es mich wieder gut machen." Er gab ihm seinen Stab. ,,Führe sie in eine bessere Zukunft. Beschütze sie und meine Enkel.", ,,Immer, Li." Interru kam rein und schrie: ,,Der Boden stürtzt gleich ein!" Li sagte aus letzter Kraft: ,,Ich bin so stolz auf euch. Lasst meinen Stolz mit euch leben. Nun lauft!" Er atmete ein letztes Mal ein und aus, Seine Tatze sank und sein Blick wurde starr. Doki ließ los. Interru half Lien raus und Shang_Xi verschloss das Zimmer. Shang 1 übergab den Schlüssel an seinen Bruder.
,,Interru, Doki, Shang_Xi. Lauft! Ich suche nach Wolkov und Donnerhau.", ,,Pass auf dich auf."
Feuer lugte aus jeder Ecke; heiß strich es an ihm vorbei. Er konnte kaum hindurch blicken. Plötzlich huschte ein Schatten vorbei und stand hinter ihm. Er drehte sich ruckartig um. Die gelben Augen bohrten ihm in der Seele und ließen seinen Mut schmelzen. ,,Hallo, Halbblut." Taifun zückte sein in Blut getauchtes Zackenschwert und rannte auf ihn los. ,,Unser Kampf wurde nicht beendet.", ,,Noch nicht, Taifun." Er wehrte den Angriff mit dem Dreizack ab. ,,Du hast zwar Meerestod getötet.", sprach der Tyrann, ,,Aber mich wirst du niemals besiegen können.", ,,Doch, kann ich." Shang rannte die Straße etwas weiter weg. Der Qualm und die Flammen machten es ihm zu schaffen. Alles knartzte und Dächer stürtzten ein. Er wollte zum Tempel, aber Taifun drängte ihn zur Brücke. ,,Du kommst nicht lebendig aus dieser Sache raus." Shang stolperte über einen verbrannten Balken und kam nur mühevoll weiter. Auf dem Dorfplatz stand er wieder ihm gegenüber. Mit einem lauten Schrei stürtzte er sich auf Taifun, dieser aber wich ihm aus und trat seinen Dreizack weg. Als er versuchte Shang mit dem Schwert zu treffen, packte dieser einen Holzklotz und schlug ihm damit gegen die Eisenhand. Er zuckte zusammen und heulte auf. Voller Wut griff er ihn am Kragen, schleuderte ihn gegen eine Wand und katapulltierte mithilfe eines Balken ihn zur Brücke. ,,Halt still, damit ich dich töten kann!" Er konnte Shang aber nicht einmal treffen. ,,Stirb!" Mit großer Wucht schlug er das Schwert ins Holz und ein Feuerstreifen umkreiste Shang. ,,Verbrenne." Der König (was Taifun nicht wusste) sprang jedoch von der Brücke in den reißenden Fluss. Taifumahang murmelte: ,,Dann finde deinen Tod im gleichen Wasser in dem du meine Schlange besiegt hast." Shang wurde hin und her geschleudert. Scharfe Steine schnitten ihm das rechte Bein auf. Er schnappte voller Panik nach Luft. Egal an welchem Stein er sich festhielt, er war zu glitschig und er rutschte ab. Das Ufer war zu weit entfernt. Irgendwann reichte ihm die Energie nicht mehr. Die Lunge brannte als wäre sie gefüllt mit Lava, die Augen verklebt. Doch wie aus heiterem Himmel holte ihn ein Schnabel aus dem Fluss, wie einen Fisch. Es war Neo.
Er trug ihn über den halben Regenwald, über das Feuer, zu den Ruinen. Als sie anflogen, ließ er ihn vorsichtig runter in einen Geheimgang. Dann umhüllte ihn Dunkelheit.