Der Geheimgang

Shang hustete Wasser aus seinem Rachen. Ihm war schwindelig und seine Beine fühlten sich an als ob sie zerlaufen würden. Die Dunkelheit um ihn herum machte es ihm nicht leichter. Er tastete sich an den nassen Wänden ab. Irgendwo tropfte es von der Decke. Plötzlich fiel ihm etwas auf den Kopf. Er konnte nichts erkennen, spürte aber drei scharfe Zacken an einem Stab. Sein geliebter Dreizack. Er hauchte kurz auf den Edelstein und er begann blau zu leuchten. Mit diesem Licht schlich er leise durch den Gang. Es schien als würde sich die Zeit vermischen. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft spielten in diesem magischen Ort wie beste Freunde. Er riss sich einen Teil des längst schon dreckigen und zerrissenen Hoodie ab und legte ihn auf die Stirn. ,,Doki? Interru?" Er hielt kurz inne. Vor ihm war eine Art Loch. Ein grelles Licht schien durch die Decke. Moosbedeckte Steine zeigten sich und ein See in der Mitte. Vor dem See kniete jemand und starrte in sein Spiegelbild. ,,Wolkov?" Das Wesen erschreckte und fauchte ihn an. ,,Wer bist du?" Es war tatsächlich Wolkov, aber ohne Umhang, ohne das Glasauge und ohne sein Schwert. ,,Ich bin's, Shang. Dein Schüler.", ,,Was redest du da?" Er packte einen Stein und drohte ihn nach ihm zu werfen. Shang hörte etwas spielen. Wie die Spieluhr, die zerstört wurde. ,,Bin ich vielleicht in der Vergangenheit?", dachte er und trat einen Schritt zurück. Dabei trat er jemanden auf die Füße. ,,Pass auf!", sagte ein Pandai mit Krone und den gleichen Augen wie von Shang. ,,Du-Du bist ich.", ,,Ja. Ich weiß, dass das alles verrückt wirken muss. Ich war nämlich schon hier. Ich war du.", ,,Wovon redet ihr?!", heulte der Wolkov der Vergangenheit. ,,Wir sind in einer Zeitspirale. Li, mein Großvater, hatte die Magie der Zeit. Deswegen ist hier alles vermischt.", ,,Woher weißt du das?", ,,Ich war hier und habe meine Freunde gesucht. Wie du, junges Ich." Shang betrachtete sich selber. ,,Oh man. Ich werde immer verrückter.", ,,Keine Sorge. Ich führe dich wieder raus. Ich muss nur etwas erledigen." Der Shang_King der Zukunft griff nach etwas, was aussah wie Wolkovs Schwert und ließ es mit einem kleinen Bötchen auf den See hinaus fahren. Der Wolkov der Vergangenheit wurde neugierig und schaute dem Schwert hinterher. Plötzlich sprang er ins Wasser und holte es sich. ,,Du wirst damit Wunder erreichen, Meister.", sagte Shang der Zukunft und verbeugte sich. ,,Folge mir, ich." Sie liefen wieder den Gang zurück. ,,Warte hier bis du deine Freunde nach dir rufen hörst.", ,,Und wohin gehst du?", fragte er ängstlich. ,,Zu meinen Kindern. Zu meinem Königreich." Sein roter Umhang mit goldenem Rand strich über den nassen Stein. ,,Ach ja, Shang der Vergangenheit, also für dich, der Gegenwart, ich wollte nur sagen, dass du niemals aufgeben sollst. Und wenn alles so unmöglich scheint und du kurz vor dem Abgrund stehst, erinnere dich an diesen Moment, diesen Ort. Denk an deine Zukunft, denn sie war hier. Und wird es sein." Mit diesen Worten verschwand er und Shang stand ganz alleine da. Das Licht seines Dreizacks flackerte. Immer wieder versuchte die Finsternis nach ihm zu beißen. ,,Shang!!", ,,Panda!", ,,Shang_King!" Shang erwachte aus seinen Tagträumen und rief: ,,Doki! Donnerhau! Shang_Xi! Ich bin hier!!" Er rannte zu dem Licht. Der See war völlig ausgetrocknet und es waren nur noch Algen übrig. Doki und die Anderen rannten auf ihn zu um ihn zu begrüßen. ,,Du hast es überlebt!", lachte Donnerhau und klopfte ihm auf die Schulter. Die ganze Höhle war voller Pandai, die Shang alle betatschten. ,,Ilai hat uns eifrig erzählt, du seist König geworden. Glückwunsch.", ,,Danke... Wie lange seid ihr hier?", ,,Ungefähr zwei Tage.", ,,Und wo war ich?", ,,Wissen wir nicht. Wir haben dich überall gesucht inmitten dieses GIGANTISCHEN Höhlensystems.", erzählte Der Mann Mit Dem Hut, ,,Dann haben wir dich mit jemanden reden gehört.", ,,Er hat mit mir geredet." Wladimir Wolkov trat aus dem Schatten und legte seine warmen Tatzen auf Shangs Schultern. ,,Und mit jemand anderem." Er zwinkerte Shang zu. Shang_King sammelte seine Gedanken und blickte sich um. ,,Stecken wir hier fest?", ,,Nicht ganz.", erklärte Shang 2 und kratzte seinen Arm, ,,Wenn ihr mir folgen würdet..." Eine lange Schlange bildete sich hinter ihm. Zuerst die Pandai, dann das Team. Da bemerkte Shang, dass Donnerhau Ilai irgendwie versuchte zu beruhigen. ,,Was ist los?", ,,Dragunia passt nicht mehr auf meine Schulter.", ,,Draco auch nicht mehr.", murmelte Donnerhau. Ilai schluchzte: ,,Ich will nicht, dass sie so groß ist. Ich vermisse die kleine, süße Dragunia, die nicht alles auffrisst." Shang sagte mit ruhigem Ton: ,,Wenn da nichts zu machen ist, soll man nicht deswegen weinen, sondern es akzeptieren. Außerdem kannst du, wenn sie noch größer wird, auf ihr reiten." Sofort hörte der Bäcker auf zu heulen. ,,Wirklich?", ,,Ja! Und mit ihr Rüstungen schmelzen.", ,,Das ist mega cool!" Er sprang auf und hüpfte den Pandai hinter. Dragunia flitzte hinterher. Donnerhau gluckte und folgte. Am Rand stand Wolkov und wartete auf seinen Schüler. ,,Du wusstest das mit der Zeitspirale!", ,,Sehr wohl. Hier habe ich Li getroffen. Vor siebzig Jahren." Er seufzte. ,,Ich war auf der Suche nach einem unterirdischen Zuhause. Dabei traf ich auf ihn. Ein junger Jäger, der sich im Spiegelbild des Sees ansah." Sie redeten noch etwas über die Vergangenheit und gingen gelassen den Leuten hinterher.

Das Höhlensystem war größer als man hätte denken können. Es gab hunderte Abbiegungen und gefühlt tausende Kreuzungen. Eine dunkler als die andere. Nur mit Fackeln und Magie konnten sie Licht erzeugen.

Drei, fast vier, Tage schlurften sie durch die Gänge. Essen hatten nur das Team. Deswegen war der Proviant schnell aufgebraucht (beinahe). Irgendwann kam eine weitere große Höhle. Mit zwei Ausgängen. Shang 2 befahl, eine Rast einzulegen. Unter all dem Gemurmel und Geschrei wollte er nur mit Shang_King reden. ,,Hier" Er zeigte auf die Ausgänge. ,,Trennen sich unsere Wege. Wenn ihr zurück ins Königreich wollt, müsst ihr durch die Eishöhlen.", ,,Und ihr?", ,,Wir nehmen den Weg nach Fina (Ein kleines Land im Süden der endlichen Welt). Dort werden wir vorerst nicht auf den Sklavenmarkt landen." Er blickte in Richtung Eishöhlen. ,,Sollte ich nicht mitkommen?" Shang 1 streichte über den schwarz-weißen Stab seines Großvaters. ,,Du hast nun eine größere Verantwortung. Mein Großvater zählt auf dich. Sie *auf Pandai zeigen* zählen auf dich.", ,,Wenn das so ist." Er räusperte sich. ,,In diesen Höhlen... Gibt es viele Wege. Aber ihr folgt nur einem. Aus dem ihr gekommen seid. Und niemals vom Weg abkommen. Es lauern Drachen und Eistrolle in jeder möglichen Richtung. Einer von ihnen ist der gefürchtete Drache der Graffields. Passt schön auf und seid leise, wenn ihr einen Eiszapfensturtz verhindern wollt.", ,,Danke für die Warnung." 

Shang 1 biss die Zähne zusammen. ,,Falls ihr unsere Hilfe benötigt.", fuhr Shang_Xi fort, ,,Die Pandai sind immer auf eurer Seite." Er blickte auf Bo Hua. ,,Sie fühlt sich bei euch wohler. Ihr könnt sie mitnehmen.", ,,Das haben wir nicht anders geplant. Sie ist ein Teil des Teams." Ein kalter Wind ließ sie zusammenzucken. ,,Es wird Zeit."

 

Am Eingang des Geheimgangs arbeitete sich der Verwüster durch. Taifun fluchte die ganze Zeit von etwas mit: ,,Lange dauert! ... Verflucht! Unnützes Wesen..." Schlug seinen Verwüster mit der Peitsche und trat jedem ans Bein, wer ihn ansprach. ,,Ich weiß, wie wir sie abfangen können. Blutteufel (damit meinte sie Taifun)." Er schaute ihr in die eisigen Augen. ,,Damit sie nach Hause können, müssen sie durch die Eishöhlen und in den Eishöhlen haben wir das Sagen."