Über die Grenze

Der Himmel färbte sich blutrot in der untergehenden Sonne. Genauso wie die Freude ging sie hinab zu den Schatten, die ihnen die Rückreise nicht leichter machten. Eher noch schwerer. Fast hatten sie es geschafft, aber nun hatten sie Interru verloren. Elvi starrte stumm drein und vergoss nicht eine Träne. Sie war wie eingefroren in der Zeit, drehte sie zurück und machte alles ungeschehen. Nicht alle hatten verstanden, was geschehen ist, nur die es gesehen haben waren traurig. Die anderen, also Serkan, Dokitura, Anduin, Thando, Bo Hua, Zora, Vivaldi, Maja und Donnerhau mit Draco. Ilai heulte auf dem Rücken von Thando und Dragunia tat es ihm nach. ,,Was ist denn los?", fragte Maja etwas genervt, ,,Wir sind doch bald da.", ,,Nei-hein!", weinte er und streckte die Hand in Richtung Sky aus. ,,Sofort anhalten!", rief Donnerhau mit bohrender Stimme und Serkan lenkte Thando auf den Gipfel des Maalbergs. Dort landeten sie und Wolkov riss endlich sein Maul auf und heulte los. (Ob das Trauer war oder die höllischen Schmerzen der Wunde) Bo kniete sich vor ihm und hielt ihre Tatzen über dem Einschnitt. Elvinaria versuchte in der Zeit ihre Gedanken in den Griff zu bekommen, schaffte es aber nicht und brach in Tränen aus. Doki und Serkan (nichtsahnend) lachten erleichtert auf. ,,Denen haben wir's gezeigt!", jubelte der weißhaarige Erfinder und klopfte seinem Kumpfel auf die Schulter. Doch als sie den halb toten Wolkov und die weinende Elvinaria erblickten, verging ihnen das Lächeln. ,,W-Was ist passiert?" Ilai, der sich etwas beruhigt hatte, schluchzte: ,,Seht ihr irgendwo Interru?" Der Farmer sah sich verwirrt um. ,,Nein. W-Wo ist er denn?", ,,Er ist in die Schlucht gefallen!" Fassungslos schauten sie drein. In Dokituras ozeanblauen Augen füllten sich dicke Tränen. Nur Serkan schien etwas nicht zu verstehen und musterte Donnerhau äußerst durchbohrend. ,,Du bist also Donnerhau...", ,,Ja, der bin ich. Oberster der Silverrider.", ,,Mein Beileid. Ich bin Serkan Jacob Graffield." Donnerhau stellte seine Axt auf den Boden und knirschte mit den krummen Zähnen. ,,Dein Vater", knurrte er, ,,hat Waffen an die Morgensonne geliefert.", ,,Ja und? Die Graffields machen niemals Fehler. Gut, dass wir nicht deine Familie beliefert haben, wenn ich mir recht überlege.", ,,WIE WAR DAS?!", ,,Verräter werden nicht belohnt.", ,,VERRÄTER? Merkst du gerade, was du da redest?" Elvi schniefte und sprach: ,,Serkan, hast du nicht die Waffen an Taifun verkauft? Wer ist jetzt der Verräter?" Serkan lachte und zeigte auf Donnerhau: ,,Wie gesagt: Ich wurde gezwungen. Aber wieso ist dieser Kerl im perfekten Moment aufgetaucht um Doki und seinem kleinen Bruder zu helfen? Genau, um wieder zu eurer Clique zu gehören." Donnerhau schüttelte langsam den Kopf. ,,Ich habe wenigstens ein Gewissen. Und verdammt noch mal Sorgen! Wie soll ich meiner Nichte erklären, dass ihr Freund und dessen Bruder, und knock knoch König, bei unserer idiotischen Reise ums Leben kamen, weil sie ein hundert Jahre alter Psycho mit seinem Schwert erstochen hat??", ,,Du bist widerwertig.", zischte Serkan. Shang meldete sich schlagartig: ,,Es reicht!!!" Alle Herzen blieben stehen. Also nur sinnbildlich. ,,Interru ist tot und ihr habt nicht besseres zu tun, als euch gegenseitig etwas in die Schuhe zu schieben, nur weil eure Familien sich nicht mögen, während mein Meister langsam stirbt." Wolkov atmete nur noch sehr schwer und röchelnd, aber Bo hörte nicht auf irgendwelche Worte auszusagen. ,,Wird er es schaffen?", fragte Shang besorgt und kniete sich vor seinem Meister. Dieser wollte ihm etwas sagen, doch hustete nur Blut. Bo wischte mit ihrer Sampfttatze behutsam über die Wunde und drückte die rote Flüssigkeit zurück, mit aller Kraft. Und dann, als es zu spät schien, krallte sich Wolkov in den Schnee des Berges und rappelte sich auf. Die Pandai wich schnell zurück. Alle konnten beobachten, wie die Blutung aufhörte und die Verletzung sich wie von Zauberhand heilte. Shang stützte ihn, während er unsicher auf seinen Beinen schwankte. Doki und Serkan kamen dazu und hielten alle an den Schultern. Nach und nach gingen auch die anderen zu ihnen. Selbst die Hippogryphen, die Drachen, der Hund und die Amphitere gesselten sich zu der Trauerveranstaltung. Da holte Elvinaria etwas aus ihrer Tasche hervor. Es war Interrus Hut. Zitternd drückte sie ihn an sich und ihre großen Tränen liefen an der Wange bis zum schwarzen Leder. Dokitura zog sein Schwert und rammte es in den Boden. Elvi hing den Hut auf dem Griff auf und der Werwolf legte seinen Umhang um das Grabschwert. Maja packte ein paar Kerzen aus und verteilte sie an die Angehörigen. Das war der emotionalste Moment der ganzen Reise. Jedes Augenklimpern, jeder Herzschlag, jeder Atemzug war so laut wie ein Erdbeben. Dicht an dicht saßen sie im kalten Schnee und wärmten sich gegenseitig. Selbst Donnerhau legte seine Arme um Ilai und Dokitura. Auf einmal lichtete sich der Himmel als ob Interru sagen wollte, dass er noch da war. Die Wolken stiegen höher auf und vor ihnen erstreckte sich die Welt wie ein Teppich. Zu ihrer Linken war Lavaredìnia. Ihre Wolkenkratzer glänzten im Sonnenlicht, bis zum Maalberg waren ihre Lichter zu sehen. Sie sahen den blauen Ozean, den Jungel und einen schwarzen Fleck hinter den Baumriesen. Das alte Dorf- Der Sumpf vollendete ihre Sicht als der matschigste Horizont der Welt. Weiter rechts war die Tundra und der Wald. Alles schien zum greifen nah, war aber so weit entfernt. Wie Interru jetzt. ,,Wow.", murmelte Donnerhau, ,,Ich habe nie gewusst, dass unsere Welt so schön ist.", ,,Ich habe nie geschätzt, was ich hatte.", schloss sich Wolkov seiner Rede an, ,,Interru war mein letzter- und bester Mann. Mit ihm habe ich nicht nur einen Reiter verloren, sondern auch einen Freund, einen Kameraden.", ,,Und ein Auge.", fügte Ilai hinzu. Wolkov blickte ihn wütend an und der Bäcker grinste um die Tränen zu überdecken. Die Sonne strahlte dierekt auf das Schwert und der Schein fiel in Richtung West. Sie drehten sich um und betrachteten das Königsland. Mit dem Gebirge vor dem dunklen Wald und dem von Lodrion, mit dem Meer und dem Fichtenwald um Nonngard. Zuversichtlich nickte Wladimir und stellte seine Kerze vor dem Schwert hin. ,,Es ist nicht mehr weit.", sprach er laut, ,,Wir haben bald die Grenze überquert und dann keiner uns was anhaben. Interru hätte gewollt, dass wir weiter gehen." Sie stellten ihre Kerzen vor dem Schwert hin und setzten auf. Nur Elvinaria blieb davor. Ihre braunen Haare wehten im Wind. Kein kalter Wind, wie in den Bergen zu erwarten wäre, nein, ganz im Gegenteil, er war warm wie im Wohnzimmer kurz vor Weihnachten. Da rief Shang: ,,Bo kann überhaupt nicht über die Grenze. Sie ist keine Einheimische." Da hatte er recht. Serkan rieb sich nachdenklich am Kinn und meinte dann, mit wissenschaftlichem Ton: ,,Wir müssen das Schutzschild kurz deaktivieren. So holen wir tausende Flüchtlinge mit ins Land.", ,,Oder wir verschieben das auf weniger gefährliche Zeiten.", erwiderte Donnerhau, ,,Es gab eine alte Möglichkeit, dass man seine Magie mit der Person austauscht, aber nur zur Hälfte.", ,,Das ist ein sehr anstrengender Prozess.", warf Shang ein, ,,Aber wer genügend Kraft hat-", ,,Ich werde meine Magie teilen.", meldete sich Wolkov. ,,Du bist gerade erst geheilt worden-", ,,Von ihr! Ich werde mich als ehrenhafter Mann revangieren. Oder Werwolf." Er legte seine Pfoten auf Bo Huas Schultern und sagte selbstbewusst: ,,Möge dir ein Teil von mir im Leben weiterhelfen." Und dann legte sie ihre Pfoten um seine Arme. ,,Und ein Teil von mir." Danach floss grüne Energie über ihre Betastung in Wolkovs Körper. Dieser fiel vor Schmerz hin und die Wunde öffnete sich wieder. ,,Das wird ihn umbringen!" Shang legte seine Tatzen auf ihre und sprach die gleichen Worte aus. Doki und Elvinaria kamen dazu und Ilai. ,,Allein sind wir stark, Meister.", zwang Shang aus sich heraus, ,,Aber zusammen sind wir stärker!"-

 

Später, nachdem sie alles abgeschlossen hatten, nach einer Stunde Quälerei und Schmerz, verließen sie schweigend den Maalberg und schritten sorglos über die Grenze. Bo verriet, dass sie noch nie so aufgeregt war wie an diesem Tag. So folgten weitere Tage, sogar Wochen, bis...