Willkommen im Sumpf!

Man hatte schon am Anfang den grünen Dunst bemerkt, der bei jedem Sonnenaufgang den Horizont färbte. Jetzt erlebten ihn die Abendteurer hautnah. Ein Gestank von allen Seiten. Zwischen Matsch und Dreck war viel tiefes Wasser. Es war so trübe, dass man nichts darunter erkennen konnte. Eine Pampe aus Algen, abgestorbenen Ästen, Erde, Blättern und Leichen von denen, die leider die Tiefe selbst spüren mussten. Kaum waren sie über die Brücke hinweg, schon verschwand der winkende Li hinter dem Nebel. Shang sagte: ,,Phönix, Flamme." Doch der Feuergeist konnte kein Feuer abgeben. Dragunia und Draco krallten sich in die Schultern ihrer Besitzer und blieben ganz still. Wolkov versuchte mit einfachen Mitteln eine Fackel anzumachen, aber die Luft war zu feucht. Die Sonne wurde von all dem Dampf verdeckt und sie mussten sich auf ihre Schritte verlassen, was in einem Sumpf nicht leicht ist. Mit Stöcken stachen sie in die Erde um zu ertasten, ob man da seinen Fuß hinsetzen kann ohne unterzugehen. So ging es immer weiter. Schritt für Schritt ging es immer weiter durch die stinkende Ebene. Von den noch lebenden Bäumen hingen verdorrte Lianen und die Blätter der anderen Pflanzen waren ein Gemisch aus grün und grau. Mit Pilzen und Schimmel. Im großen Ganzen: ein ganz unangenehmer Ort. 

Selbst Ilai blieb ernst. Keiner sagte nur ein Wort. ,,Wenn wir durch den gefährlichen Teil kommen", sprach Wolkov plötzlich, ,,Kommt ein etwas erdigerer Teil. Er ist zwar nicht so matschig, aber dort nisten Hydras.", ,,Oh man.", bellte Donnerhau wütend, ,,Wieso gibt es auf unserer Reise nicht einen UNgefährlichen Abschnitt. Das ist ja die Hölle auf Erden!" (Wenn er keinen Bart hat sieht er jünger aus, aber auch viel grimmiger.)

  Shang unterbrach das etwas angespannte Gespräch: ,,Du, Wolkov, wir kennen uns jetzt besser. Vielleicht wäre es Zeit uns zu erzählen, was du über Taifun weißt, wie ihr euch kennengelernt habt und so..." Donnerhau fauchte: ,,Wieso schon wieder Taifun?! Ich kann seinen Namen nicht mehr hören. Dieser Besserwisser.", ,,Nein, wir müssen nur seine Fähigkeiten kennen um uns vor ihm zu verteidigen. Wenn Meerestod hier war, ist er auch nicht weit.", ,,Shang hat recht. Er wird kommen und dann..." Interru strich sich mit dem Finger um den Hals. 

Der Wolf fing an: ,,Wenn ihr es so wissen wollt. Es war vor mehr als hundert Jahren. Ich war mit meinen Reitern unterwegs durch die Wälder auf der Suche nach Schätzen und vielleicht ein paar Stellen zum Bepflanzen. Plötzlich läuft uns ein kleiner, blonder Junge entgegen. Er suchte verzweifelt nach seiner Mama. Wir wussten nicht, wie sie aussah und wo sie war. Als ein Sturm aufzog nahmen wir ihn mit bevor ihn noch ein Blitz traf. Weil wir damals sehr hilfsbereit waren, suchten wir zusammen seine Mutter, fanden sie aber nicht. Nach zwei Jahren vergaß er sie völlig und wurde Teil der Gruppe. Er war wild, schlau und wissbegierig. Ein perfekter Schüler! Tja. Wir wurden ein gutes Team, beste Freunde, wie Vater und Sohn. Er war sehr stark, magisch begabt und jede Schülerin war hin und weg von ihm. Hehe, kann ich verstehen. Er war ein sehr hübscher Junge gewesen. Gerechtigkeit und Freundschaft spielten eine große Rolle bei ihm. Doch als mich meine große Liebe... verließ, dachte er, er wäre an allem schuld und trainierte mehr. Jeden Tag ohne Pausen. Er, nein, ICH habe nicht gesehen, was geschah. Nach und nach wurde ich ein menschlicher Wolf und ein gefährliches Biest und wandte mich von ihm ab um ihn nicht zu verletzen. Er versuchte alles um meine Aufmerksamkeit zu erlangen, aber ich wurde immer abgeneigter bis er mir direkt vor die Füße trat. Ich wollte es nicht, aber ich kratzte ihn bis zum Ellenbogen. Wutentbrannt griff er mich an und wir verwickelten uns in einen Kampf. Ich zerstörte in einer Sekunde alles, was ich ihm über Güte und Liebe beigebracht habe. Er wollte nur, dass ich wieder sein Mentor wurde, aber ich... ich war zu blind. Jahre hat er für mich trainiert. Bis seine Gelenkte bluteten und ihm schwarz vor Augen wurde. Er verletzte mich am Bauch und ich verbannte ihn von den schwarzen Reitern. Er versprach, irgendwann meine Reiter zu erobern und meinen Stolz. Seitdem habe ich ihn nicht gesehen bis er mich geputscht hat. Jetzt will er mehr als meinen Stolz. Er will die Welt! Er will seine Macht demonstrieren. Die Macht des Hasses.", ,,Und woher hat er die Augen und die künstliche Ersatzhand?", ,,Er kämpfte gegen einen Drachen und aß sein Herz. Das verleiht ein langes Leben. Das habe ich auch getan. Bei einem Eisdrachen.", ,,Der Arme.", fügte Ilai hinzu, ,,Ich meine der Drache." und drückte Dragunia.

Donnerhau wäre beinahe von einer kleinen Erdinsel abgerutscht, aber hielt sich noch am Stock fest. Langsam schlichen sie wie eine Reihe Händler durch den grünen Nebel. Zwischen alten Pflanzen und matschigen Erdhaufen. Wolkov hatte den Kopf die ganze Zeit gesenkt und betrachtete seine großen Krallen. 

Plötzlich, wie ein Meteorit, zischte eine Amphitere an ihnen vorbei. Auf dem Rücken war ein Hund und ein Pandai. Verwirrt blieben sie stehen und Ilai fiel vor Schreck ins Sumpfwasser. Donnerhau schrie nach ihm und sprang hinterher. Interru reagierte rasch und packte ihn am Bein, damit er nicht unterging. Wolkov und Dokitura zogen ihre Schwerter und wurden angriffsbereit. Donnerhau suchte in der Brühe nach dem Bäcker, konnte ihn aber nicht finden. Schockiert zog er sich wieder an die Luft. ,,Ich finde ihn nicht!", ,,Er ist doch schon lange hier. Dragunia hat ihn an der Schulter gepackt und wir holten ihn raus.", ,,Konntest du das nicht früher sagen?!", knurrte der Schmied beleidigt, ,,Was war das überhaupt?", ,,Eine Amphitere.", sagte Elvinaria stumpf, ,,Lasst uns davon nicht ablenken! Wir müssen weiter.", ,,Jap. Kommt!" Wolkov packte sein Schwert zurück und trat Meteor in die Seiten. Doki aber blieb wachsam. Donnerhau schulterte Draco wieder und folgte den anderen. Gleich als der Abend nahte, bauten sie ihre Zelte am Fuß eines steilen Hangs auf, was sehr schwierig war. Allein auf dem Grund Gleichgewicht zu halten und noch dazu das Zelt aufzubauen. ,,Hoffentlich ist dieses Theater bald vorbei.", mekerte Donnerhau und löffelte eine Pilzsuppe. ,,Noch wenige Meilen und wir können diesen Abschnitt verlassen. Dann noch zwei und wir sind bei dem Erwähler.", ,,Mal sehen ob das ohne Komplikationen abläuft.", sagte Interru, der auf einem Baumklotz neben Elvinaria saß. Wolkov schaffte trockenen Boden für ein Lagerfeuer und Ilai machte aus vorhandenen Mitteln Steak. Plötzlich rief er: ,,Wir haben kein Fleisch mehr. Sollten wir vielleicht auf Jagd gehen?", ,,Das machen wir!", meldete sich Interru, ,,Elvinaria, kommst du mit?", ,,Klar.", ,,Ich auch. Da kann ich nebenbei neue Spezies entdecken.", flüsterte Shang und holte sein Eisenschwert. ,,Seid aber vor der Monsterspawnzeit hier!", wies sie Wolkov auf die Gefahr hin, in ein Zombie zu rasen. ,,Wird nicht lange dauern, Boss." Sie kletterten an den Steinen des Abhangs entlang. Elvinaria hielt die Fackel um ihre Schritte zu beleuchten. Das Sumpfwasser verschlang das Licht; gab es nicht wie gewöhnliches Wasser wider. Interru erwähnte immer wieder Spuren im Schlamm. Diesen folgten sie auch, in der Hoffnung vielleicht auf eine Kuh zu treffen. Es war ungewöhlich still. Aus Spaß schrie Interru in die Weite: ,,Elvinaria!", ,,Interru!", erwiderte sie genauso laut. Der Sumpf nahm den Schrei und trug ihn davon. Es kam einem so vor, als würde er nicht einmal einen Meter gehen. ,,Habt ihr das gesehen?", fragte Shang, ,,Da hat sich etwas bewegt. Ich schaue nur kurz nach." Er kraxelte zu dem, was er gesehen hatte. Eine weitere matschige Ebene erhob sich vor ihm, nur dass bei dieser kein einziger Baum wuchs. Die letzten roten Sonnenstrahlen reichten kaum aus um es zu sehen, was sich da so bewegte. Es hörte sich an wie ein klebriges Planschen. Wie Saugnäpfe die über den Boden laufen. Er dachte, das wäre normal, weil sie sich auch so anhörten, wenn sie über den Boden liefen. Doch je näher dieses Ding kam, desto mehr erkannte man keine Kuh, sondern einen grünen Klumpen Schleim, der auf sie zu sprang. Hüpf, Hüpf. ,,Was zum..." Er stolperte rückwärts zum Hang, ertastete den ersten Stein und rutschte zu den anderen. ,,Habt ihr das Ding da oben gesehen?", ,,Meinst du das?" Sie zeigten auf ein Weiteres, welches auf sie zu schleimte. Diesmal von vorne. Mit Fackeln versuchten sie die sagen wir mal Schleim zurückzudrängen, aber sie hüpften immer weiter auf sie zu. ,,Vielleicht sind die garnicht böse.", wagte Elvinaria zu behaupten. Doch es dauerte nicht lange und einer der grünen Dinger kam Interru zu nahe und saugte ihn in sich. ,,Interru!", schrie sie und versuchte ihn aus der lebendigen Flüssigkeit zu ziehen. Shang war vor Schock erstarrt und blieb an dem Anhang kleben wie eine Spinne. Elvinaria stolperte und flüchtete hastig zu ihm. ,,Und was jetzt?", murmelte sie besorgt. Ein etwas kleinerer Schleim hopste zu ihr und ließ sie gegen die Wand fallen. Ein zweiter tat es ihm nach. Shang wollte eingreifen, jedoch sprang so ein Teil ihm auf den Kopf. Er versuchte es so schnell wie möglich loszuwerden, doch es blieb auf ihm. Aus dem Inerren des Schleims beobachtete sie Der Mann Mit Dem Hut. Lange konnte er sich das nicht geben, nahm seine Dolche und grub sich mit ihnen ein Loch aus dem Fieh. Der Schleim blickte ihn verwundert mit seinen schwarzen, etwas aufgeschwämmten, Augen an. Interrus Augen leuchteten wie grüne Blitze auf und er bohrte sich mit den Klingen in die Seite des ganz Großen (aus dem er gerade geflüchtet ist). Die kleineren lebenden Blöcke unterstützten ihren großen Anführer mit aller Kraft, aber der schwarze Reiter zerfetzte sie in der Luft. ,,Ja, Interru!", jubelte Elvinaria ihm zu. 

Aus der Ferne gallopierte ein heller Stern auf sie zu und drängte die verängstigen Wesen ins Wasser. Phönix strich mit seiner brennenden Mähne an Shangs (mit dem Schleim verdeckten) Kopf. Das grüne Zeug löste sich von seinen Ohren und rollte sich an seinem Bauch runter.

Mit Phönix Hitze und Interrus Dolchen schlugen sie den Rest in die Flucht.  ,,Perfektes Timing, Kumpel!", sagte Shang und strich mit seiner vernarbten Tatze über die abgekühlte Schnauze. 

,,Hey! Was treibt ihr hier draußen so lange? Wir suchen euch seit einer halben Stunde. Die Sonne ist schon untergegangen.", brüllte Donnerhau sauer mit einer Laterne in der rechten Hand. Draco kläffte zustimmend von seiner Schulter.

Shang_Xi strich sich das letzte Grün von seinem Hoodie und folgte den Anderen. ,,Ich muss schon sagen, Interru ist echt super,", seufzte er mit nachdenklichen Blick. Elvinaria schmunzelte und antwortete leise: ,,Ja, das ist er."

,,Wolkov, ich hab' sie gefunden.", berichtete Donnerhau achtlos. Wolkov rief erleichtert: ,,Na endlich! Und? Habt ihr etwas Essbares gefunden?", ,,Nein.", erzählte Interru, ,,Nur ein paar komische lebendige Schleimblöcke, die mich verschluckten, Shang auf den Kopf sprangen und Elvi an die Wand schubsten." Er blickte sie entschuldigend an. ,,Oh 'tschuldigung! Darf ich dich überhaupt so nennen?", ,,Jetzt schon." Er lächelte schräg. ,,Das erklärt euren überaus merkwürdigen Kleiderstyle." Wolkov zeigte auf ihre durchnässten Kleider und lachte laut los. ,,Genug gelacht.", brummte der einäugige Waffenschmied, ,,Wir haben kein Essen und einen ganzen Sumpf vor uns. Wird Zeit zum schlafen."