Im Fluss

Irgendwie haben sich alle so wohl gefühlt an diesem Tag, dass sie erst am Abend merkten, dass Shang gar nicht bei ihnen war. Li erzählte ihnen, ihm ginge es nicht so gut und er wöllte gerne seine Ruhe haben (*hust* *hust*). Naja. Wie dem auch sei. Sie entspannten sich am Lagerfeuer und besprachen die Lage. ,,Also morgen werden wir wieder aufbrechen.", eröffnete Dokitura seufzend das Gespräch. ,,Muss ja.", legte Donnerhau zu. ,,Aber mir hat das hier so sehr gefallen!", maulte Ilai, ,,Und Dragunia auch! Schaut nur, wie sie mit Draco spielt.", ,,Wir sind dem Ziel aber so nah. Wir können nicht einfach abbrechen.", ,,Genau. Außerdem ist es hier gefährlich geworden.", sagte Donnerhau knurrend. Interru meinte: ,,Wir können sie aber nicht ohne Schutz zurück lassen!", ,,Li muss selber entscheiden. Er ist der Anführer des Dorfes." Maja fragte: ,,Also bleibt der Plan wie er war?", ,,Genau. Keine plötzlichen Änderungen.", ,,Das ist gut, denn ich habe meine Sachen schon gepackt für morgen. Bei wem darf ich mitreiten?" Sie besprachen noch die Reihenfolge und gingen in ihre Schlafzimmer. Außer Interru und Elvinaria. Sie beobachteten mal wieder die Wildtiere und redeten.

Nach einem langen Schweigen sprach der schwarze Reiter: ,,Du bist viel lockerer geworden. Von einer strengen Generälin zu einer... jungen, coolen Frau.", ,,Ach wirklich?", lachte sie, ,,Ich habe nur noch nie das Leben gespürt wie jetzt.", ,,Und ich habe noch nie so viele Zeichungen gemacht wie bei dieser Reise. Schau dir das an!" Er zeigte ihr alle Tierzeichnungen. Von Amphiteren, Eiswölfen, Drachen und Seeschlangen. ,,Was ist das?" Eine Seite stand ein bisschen hervor. ,,Äh. Nichts!" Er schlug das Buch zu. ,,Was war das? Bestimmt nicht von einem Tier, oder?", ,,Wenn du kein Tier bist...", ,,Du hast mich gezeichnet?" Er grinste etwas beschämt und zeigte ihr die Zeichnung. ,,Wow.", ,,Gefällt sie dir?", ,,Das ist fantastisch! Wie du das nur hin-kriegst. Sogar meine weiße Sträne ist zu erkennen.", ,,Wie kann man sie übersehen." Sie schauten sich beide tief in die Augen und Elvinaria lehnte sich an seine Schulter. 

Doki wurde von Interru nebenan geweckt. Er ging zu ihm rüber, lehnte sich an den Türrahmen und fragte neugierig: ,,Und? Habt ihr euch wenigstens geküsst?" Interru antwortete nicht, sondern lächelte über-glücklich und starrte die Decke an. ,,Gratulation! Interru wurde zum Mann.", ,,Heute ist einfach mein bester Tag!"

Doch der nächste Tag war nicht der Beste.

Schon am Morgen hörten sie die Hilferufe von Shang_Xi aus Li's Zimmer. Maja war die erste und öffnete die Tür. ,,Bo! Sie ist in großer Gefahr!", ,,Wieso?", ,,Es gibt doch eine Seeschlange und Li versucht sie allein mit dem magischen Edelstein zu besiegen.", ,,Ist der verrückt?", fauchte Wolkov, ,,Er hat uns alle angelogen und jetzt läuft er geradewegs in den Tod!", ,,Und er hat meinen kleinen Bruder eingesperrt!", ,,Schnell! Keine Zeit für Diskussionen. Es stehen Leben auf dem Spiel."

Sie rasten raus auf den Platz, aber dort erwarteten sie schon eine Reihe Wachen. ,,Li hat uns befohlen, euch vom Fluss fernzuhalten.", sagten sie wie Roboter. Ching, Chang und Chung drängten sie wieder zurück zum Haus. Wolkov heulte und stürtzte sich auf sie. Donnerhau, Ilai und ihre Drachen schlossen sich ihm an. ,,Lauft! Warnt Bo und beschützt Li!" Shang nickte und sie rannten zum Rand des Dorfes. ,,Elvinaria, warne Bo! Beeil dich!" Sie sprang auf Sky und flog los. ,,PHÖNIX!!" Aus dem Jungel gallopierte der brennende Hengst und wieherte. ,,Kumpel, hole Shang_Xi und Nero!" Phönix nickte schnaubend und war davon. ,,Schnell zu den Feldern!" Sie hetzten zu dem steinigen Weg, der zwischen dem Dorf, dem Trainigsplatz, den Feldern und dem Fluss verlief. Dort hörte sie auch abrupt auf. Einfach so vor dem Fluss. Und nach jeder Nacht fehlte ein weiteres Stückchen Straße und Feld. Dokitura und Anduin warteten schon auf sie. ,,Ich sehe Li! Und er hat den Stein.", rief Interru und seine Augen wurden wieder leuchtend grün. ,,Gut. Ihr bleibt hier, Doki du kommst mit mir.", ordenete das Halbpandai an. Maja klagte: ,,Ich will aber auch mitkämpfen!" Sie zeigte ihnen stolz ihren klimpernden Kasten, in dem Gifttränke, Giftpfeile und sogar Feenstaub vorsichtig gestapelt waren. (Ehrlich sah sie mit diesem geschmückten Kasten aus wie eine Verkäuferin aus der westlichen Wüste, die ihre Ware anbietet) ,,Ihr steht Schmiere." Sie schlitterten den matschigen Abhang runter und liefen am Fluss entlang. Die braune Brühe... Wenn man einen Fuß dort rein setzt, wird man sofort in die Tiefe gezogen. Und es war laut. Ohrenbetäubend laut. Sie schlichen unter dem Überhang genau unter die Füße ihres Großvaters. Dieser schrie: ,,Zeig dich, Schlange! Deine Schrecken sind heute vorbei. Heute wirst du sterben und nie wieder unsere Ernte zerstören! Ich will nur deine Angst in deinen Augen sehen, So zeig dich, Feigling!" Plötzlich schwappte das Wasser kurz über. Eine Flut stieg an und die Brüder mussten zu Li klettern. ,,Was macht ihr denn hier?", ,,Dich retten!", ,,ich schaff das schon alleine." 

Eine riesige Welle kam flussaufwärts zu ihnen. Dann verschwand sie plötzlich. Eine blaue Schwanzflosse erschien aus dem undurchsichti-gen Gewässer und klatschte so stark auf den Überhang, dass ein Teil wie ein kleiner Kiesel abbrach und abstürtzte. Dreck spritzte überall und beschmutzte die Felder. Aus dem Wasser ragte ein Kopf der groß war wie ein Haus. Bestückt mit schneeweißen Zähnen, die darauf warten, jemanden zu zerfetzen, mit einer Narbe am Mund. Seine Schuppen schimmerten in allen möglichen Blautönen und seine gelben Augen glühten wie Lava. (Die Augen erinnerten Shang sehr stark an Taifun) Nein, Shang wollte nicht noch einmal in seinem stinkenden Maul landen und ja, diese zischende Schlange war niemand geringeres als Meerestod höchstpersönlich. Die stärkste Waffe von Taifumahang (damals jedenfalls). ,,Oh.", sagte Li fieberhaft und trat ein paar Schritte zurück. Wolkov und die anderen zwei kugelten den Weg zum Fluss herab. Eine Horde Wachen hinter ihnen. Doch als sie Meerestod sahen, drehten sie augenblicklich um. ,,Meerestod.", brummte Donnerhau, ,,Ich hasse Meerestod.", ,,Ich auch, Freund.", fügte Ilai augenzuckend hinzu. Wolkov zog sein Schwert und lief zu ihnen.

Meerestod öffnete sein Maul und wollte Li beißen, aber Shang schlug mit dem Holzschwert auf ihn ein. Es zerbrach auf der Stelle und die Schlange wurde ziemlich sauer. Es hob den Kopf und spuckte Dreck-wasser um sich. Ein starker Strahl traf Li und schleuderte ihn acht Meter weit weg. Shang hob den Stein auf, den er dabei fallen ließ und versteckte sich hinter einem Baum. Doki nahm sein verzaubertes Schwert und lenkte Meerestod von seinem Bruder weg. Die Seeschlange donnerte mit dem Schwanz auf den Boden und die Erde bebte. Vor Wut zitterte seine lange Rückenflosse und sein Atem rasselte. Wolkov sprang hoch und rutschte an seinem Rücken ins Wasser. Sein Plan war, ihn dabei zu verletzen, aber jemand packte ihn an den Arm und schmiss ihn ins reißende Wasser.  Panisch planschte er, Wolkov der Werwolf, im Fluss. Dreck lief ihm in den Mund, in die Ohren und sein Auge brannte. Er schnappte nach Luft, aber er kam immer seltener an die Oberfläche. Er überschlug sich und stieß sich an Steinen den grauen Kopf. Doch da holte ihn Rettung aus dem Wasser. Er entdeckte zwei blaue Flügel und die großen Augen von Nero. Endlich aus dem Wasser, hustete er erstmal das Wasser aus der Lunge. ,,Shang_Xi... *Hust* Danke.", ,,Immer wieder, Wladimir." Nero setzte ihn am Ufer ab und sie flogen zu der Schlange. Auf der anderen Seite des Flusses erkannte er Lila, die auf ihn ihren Bogen spannte, aber nicht schoss. Sie zitterte und ein großer Gewissenskampf mischte ihre Gefühle im Kopf. Schließlich entschloss sie sich, zu Meerestod zu fliegen und ihren ehemaligen Anführer in Ruhe zu lassen.

Währenddessen tobte Meerestod wie ein gewaltiger Sturm im Fluss.  Interrus Dolche kamen nicht durch seine Schuppen und Dokituras Versuche, ihn von seinem kleinen Bruder abzulenken, waren nutzlos. Er wollte den Stein! Shangs Atem tanzte immer wieder aus der Reihe und er drohte verrückt zu werden hinterm Baum zu sitzen. Ohne Waffen, nur mit dem Gedanken, dass hinter dem Baum ein gigantischer Schlangenkopf war, Reihen von messerscharfen Zähnen und das finstere Maul. ,,Was kannst du, Stein?", sprach er zum Stein, ,,Hast du irgendwelche besonderen Eigenschaften?" Natürlich kam keine Antwort. Meerestod reichte es. Er schob Interru und Doki einfach mit seinem Schwanz zur Seite und biss in den Baumstamm. Für einen kurzen Moment setzte Shangs Herz aus. Meerestod riss den Stamm samt Wurzeln raus. ,,Oh, hallo." Shang rannte so schnell weg wie möglich, doch er schoss einen Wasserstrahl ihm hinterher und Shang fiel mit dem Gesicht zu Boden. Der Edelstein kullerte aus seinen Händen. Als Shang 2 versuchte, ihn davon abzuhalten, Shang 1 zu fressen, stieß ihn Lila vom Himmel. Alles schien verloren. Nein, nicht ganz. Maja warf so viele Tränke auf den verwirrten Meerestod, dass er knurrend untertauchen musste. ,,Werfen. Das ist es!" Shang krabbelte zum Edelstein, der so blau schimmerte wie das Meer im Sonnenlicht, und wartete bis die Seeschlange wieder auftauchte. Er schoss aus dem Schmutzwasser und wollte Maja mit dem Kasten auffressen, aber Shang knallte den Stein mit all seiner Kraft an seinen Kopf. Der Stein war nicht groß, aber irgendetwas muss er können, oder? Einen Augenblick schüttelte Meerestod nur seinen blauen Kopf, dann aber kreischte er wie ein kleines Mädchen, nochmal, nochmal und nochmal, schüttelte sich wie verrückt. Eine blaue magische Kraft durchströmte seinen Körper. Seine Schuppen leuchteten auf und seine Augen wurden so groß, dass man denken könnte, sie explodieren. Er rang nach Luft und biss dabei Lila ins Bein. Dann zappelte er noch wie ein Wurm und verschwand im Wasser. Nur noch ein paar Luftblasen blieben übrig. Sein entseelter Körper floss davon und blieb zwischen zwei Felsen stecken.

Lilas Bein blutete stark und vor Schmerz konnte sie nicht mehr fliegen. Sie fiel ins Wasser und hielt sich mit letzter Energie an einem Stein fest. Wolkov raste zu ihnen, rutschte den Abhang hinunter und rief: ,,Los, greif meine Hand!" Lila versuchte es, aber sie konnte sich nicht mit einem Arm halten. Interru versuchte sie mit einem Seil einzuholen, doch sie war zu schwach. Das Blut floss dahin und ihre lila Augen schlossen sich allmählich. In letzter Sekunde griff Wolkov nach ihrer Hand. Jedoch war in ihrem Blick nichts als Trauer und das Wissen, dass es mit ihr vorbei war. Wolkov akzeptierte. Er drückte ein letztes Mal ihre Hand und sie ließ los.

Der Wolf saß gekrümmt, erschöpft, geschockt und traurig da. Lange. Es wurde schon Abend und er war immer noch dort und hielt seine Tatze uns Wasser. Donnerhau hat dafür gesorgt, dass alle Essen hatten und Ilai machte allen gute Laune. Dokitura half Li wieder zu sich zu kommen und überredete ihn dazu, sie loszulassen. Auch wenn es allen schwerfiel, mussten sie weiter. Das Ziel war schon nahe. ,,Keine Sorge, wenn wir wieder auf dem Rückweg sind, kommen wir bei euch vorbei."

Shang kletterte zu seinem Lehrer runter und legte seine Pfote auf seine flauschige Schulter. ,,Du bist nicht mehr der uralte Werwolf, der sich nur um sich schert, sonst ständest du nicht so lange hier und denkst an Lila.", ,,Mich verfolgen ihre Augen. Sie war treuer als jeder andere und mutig. Sie hat mich nicht erschossen, auch wenn sie es konnte. Und ich bin ihr sehr dankbar, für alles, was sie jemals getan hat." Der Halbpandai lächelte und lud ihn zum Lagerfeuer ein.

Wolkov tobte die ganze Nacht, kletterte auf Bäume und heulte sein Leid aus, damit er sich besser fühlte.

Gleich am nächsten Morgen maschierten sie über die von Bo gebauten Brücke. Sie selbst, Vivaldi (ein süßer Hundemischling mit braunem Fell, einer rosa Nase und Ringelschwanz) und ihre grüne Amphitere kamen mit, auch wenn sie sie nicht gleich sahen. Undercover sozusagen folgten sie der Truppe.