Spinnenstadt

(Zurück bei Pieksi)

,,Was machst du da?" Pieksi stand im Hühnerstall und sah Dittmad dabei zu jedes Huhn einzeln hoch zu heben und den Boden nach Eiern abzusuchen. Dabei wühlte er sogar im Heu und grub in der Erde. ,,Faule Eier! Wir brauchen faule Eier!", erklärte er knapp und wischte sich seine erdigen Haare aus dem Gesicht. Pieksi hat sich schon immer gefragt, was er mit diesen faulen Eiern hatte. Schließlich schrie er:,,Ich habe etwas! Hier!!" Er holte ein uraltes Nest aus dem Erdboden. Vier (sehr stinkende) Eier lagen darin. Er zitterte mit ihnen in den Händen und übergab sie rührend vorsichtig in ihre stacheligen Hände. ,,Und jetzt?", ,,Werf sie auf den Boden.", ,,Was?", ,,Werf. Sie. Auf. Den..." Er zeigte auf die Erde. Sie zuckte die Schultern und dreschte sie ihm vor die Füße. Er strich sacht über die Schalen und holte aus einem ein etwas... entstelltes Hühnchen raus. ,,Glückwunsch Pieksi. Du hast nun eine Cockatrice als Begleiter." Sie verstand die Welt nicht mehr. ,,Anscheinend kennst du diese Wesen nicht. Das sind Baselisken mit magischen Augen. Ihre Seele ist gefüllt mit Schwarzkraft, das heißt Withereffekten.", ,,Und was soll ich mit ihm anfangen?" Er legte ihr das atmende Wesen in die Hände. ,,Aufziehen. Und ich werde wieder das Heu stapeln."

Ganz überfordert stand sie da, aber ihr Gefühl sagte, sie solle sich keine großen Sorgen machen. Das Vieh kommt schon alleine klar. Es öffnete seine pechschwarzen Augen und riss seinen krummen Schnabel auf. Sein Schrei war so laut, dass er alles übertönte. Danach war er still. ,,Was willst du von mir?", fragte sie ihn sauer. Dittmad antwortete von der anderen Seite: ,,Sie fressen Weizenkörner." Das war kein Problem, diese auf einer Farm zu bekommen. Was anderes war die Menge. Das kleine Vögelchen verspeiste einen ganzen Komposter voll mit Körnern und das in Sekunden. Pieksi ist der schlangenähnliche, grüne Schwanz aufgefallen. Er ließ das Kerlchen etwas gerupft aussehen. Die Katzen scheuten sich vor ihm und vermieden eine Begegnung. Es dauerte nur wenige Tage und der kleine Baselisk wurde zu einem wahren Monster. Er hatte einen orangenen Rücken, einen grünen Bauch, zwei grüne Flügel. Bis dahin sah er aus wie ein ganz normaler Hahn. Aber was zum Teufel waren das für große schwarze Augen, messerscharfe Klauen auf langen gelben Beinen und ein Schwanz, der genauso groß war wie er selbst. Am Ende schmückten drei grüne Federn den Schlangenteil des Wesens. Trotz seines gewöhnungsbedürftigen Aussehen, fing der menschliche Kaktus an ihren neuen Säugling zu mögen. Doch kaum wurde er erwachsen, kam Dittmad mit Friederich durch die Tore. ,,Hallo Pieksi! Wir haben etwas über die Stadt herausgefunden, wo Dittmad gelebt hat, früher.", ,,Sogar die Koordinaten!", rief der Offizier, ,,Wir könnten jetzt sofort aufbrechen!", ,,Aber woher wisst ihr das alles?" Friedrich erzählte, wie sie die Dorfbibliothek durchfortet haben, ohne dass sie es wusste. Sie fanden heraus, dass die Morgensonne drei mittelgroße Städte gebaut hatte. Eines davon ist die Hafenstadt St. Sulfrago. Sie sei die näheste Stadt am Meer und Dittmad konnte einfach von da aus zu ihnen gesegelt sein. ,,Möglich wärs.", sagte sie nachdenklich, ,,Ist sie weit weg?", ,,Nur fünfzig Meilen. Wenn ihr reitet, seid ihr morgen früh dort.", ,,klingt abenteuerlich, aber wer passt denn auf die Tiere auf?", ,,Natürlich ich, der alte Friedrich!" Damit war das auch geklärt. Dittmad wollte unbedingt dort hin. 

Lange packten sie ihre Sachen nicht. Nach wenigen Minuten waren sie startklar. ,,Vielleicht", meinte der Fischer, ,,Könnt ihr dort etwas Handeln... Ich hätte gerne ein feines Tuch für meinen neuen Tisch.", ,,Immer doch." So ritten sie los. Der spannende Teil ist aber nicht die Nacht, in der sie in Angst vor Zombies in Zelten schliefen, auch nicht der dichte Wald, den sie durchquerten, sondern die Stadt selbst.

Solange Dittmad alte Geschichten erzählte, die Friedrich ihm in Büchern vorgelesen hatte, schaute Pieksi ins Fernrohr. Plötzlich schrie ihr vogelartiger Begleiter und sprang flatternd hinter einen Baum. Es knallte und zischte und keiner wusste, was da genau vor sich ging. ,,Tilo!" Pieksi blickte in den düsteren Wald. ,,Tilo? Ist das sein Name?", lachte Dittmad. ,,Ja! Er gefällt mir. Tilo der Erste." Plötzlich kam Tilo zu ihnen. Im Schnabel eine tote Riesenspinne.  ,,Du meine Güte.", ,,Spinnen. Ich hasse Spinnen. Tilo anscheinend auch." Sie liefen weiter, aber etwas schneller und angespannter. Die Pferde wurden immer nervöser je näher sie dem Ziel kamen. Und das nicht ohne Grund. 

Als sie vor den Stadttoren standen, bemerkten sie die hunderten, wenn nicht gar tausenden Spinnweben. ,,Ach du heilige-" Das verkohlte Holz der Häuser, der graue Fluss, die große Meeresbucht. Alles schien so leblos und fremd. Ein Schauer lief ihnen über den Rücken. Tilo krähte und schnippte mit seinem Schwanz. Dittmad lehnte sich gegen die schwarzen Tore und trat ins Seelenleere. Selbst jede noch so kleine Brise wirkte lauter als je zuvor. Der Baselisk rannte sofort los und suchte nach Spinnen. Pieksi betrachtete fassungslos die Asche, die Schwärze und die weißen Spinnweben. Ein Schild hing noch über einer Tür mit der Aufschrift: Krämerladen. Sie trat hinein. Ein halb zerbrochenes Glöckchen klingelte, sonst war Stille. Mit einem Stock machte sie die Weben beiseite und durchwühlte die Kisten nach etwas Nutzbarem, doch es war alles schon leer und sauber. Jemand war hier. Plötzlich seilte sich etwas an einem dünnen Faden runter. Ehe sie sich umdrehte, schlug Dittmad die Gigantenspinne mit einem Eisenschwert zu Boden. ,,W-Was- Woher hast du das Schwert?", ,,Hatte eine Leiche in der Hand.", ,,L-Leiche?", ,,Hier muss etwas schlimmes passiert sein. Ansonsten kann ich mir das nicht erklären.", ,,Feuer.", ,,Wie aus meiner Erinnerung? Möglich." Er blickte sich um. Das Eisenschwert schimmerte in den Farben der Sonne. Die eingeschlagenen Fenster spiegelten sich darin, genauso wie die verkohlten Wände und ein Messer, welches dort steckte. Es hatte einen Zettel angenagelt. Er nahm es ab und las laut vor: ,,Ich, Taifumahang, befehle meinen Spionen die Höhle der Spinnen zu öffnen, wenn der General in der Stadt seien wird. Alle die sich meinem Befehl widersetzen, werden bestraft, alle die ihn erfüllen, haben das Privilieg, all Holz in Flammen zu stellen." Auf einmal klappte Dittmad zusammen. ,,Alles in Ordnung?", ,,Der General! Er muss hier sein." Er raste hals über kopf aus dem Haus auf eine Kreuzung. ,,Dittmad! Bleib stehen!" 

Ihm kamen so viele Erinnerungen auf einmal zurück. Natürlich! Der General Miguel Löwenherz, seine Tochter Wize und seine Leute, die Morgensonne. Die Erbauer der Meeresstadt. Die Gefolgsleute des Königs. Auf einem Platz stand eine Statue. Ein Mann mit einem sehr weisen Blick, der in die Ferne sah. In seiner Hand die Karte zur Zukunft. Alles, was sie brauchen werden. Der Vater von einem weitaus bekannterem Mann (den wir noch kennenlernen werden). Noch eine Statue von einem kräftigerem Mann mit Narbe am Bein. Das war anscheinend Miguel selbst. All diese Häuser, Straßen, Denkmäler. Er erinnerte sich. ,,Die Spinnenhöhle! Ich weiß, wo sie ist." Pieksi konnte nicht anders, als ihm zu folgen. Er rannte wieder raus aus der Stadt, auf die Wiesen und blieb ruckartig vor einem Höhleneingang stehen. ,,Sie wurde wirklich geöffnet." Er nutzte das Schwert und die Sonne, um etwas Licht in die Finsternis zu bringen. ,,Hier ist ein Hebel! Wir müssen ihn umlegen, aber einer muss die Spinnen von ihm fernhalten.", ,,Ist es nicht etwas zu dunkel da unten?", ,,Nutze deine Magie.", ,,B-Bitte was?", ,,So." Er streckte seine Hand aus und entfachte einen kleinen Feuerball. ,,Feuer." Damit sprang er in die Höhle. Schon gleich am Anfang schossen zwei Spinnen auf ihn zu, aber das Schwert hat es ihm schon gezeigt. Wie ein Blitz schoss er von Wand zu Wand. Pieksi war etwas, eTwAs, überfordet. Plötzlich hatte dieser vergessliche Mann einige Skills drauf, die sie noch nie zuvor gesehen hat. Sie suchte oberflächlich nach dem Schalter und fand ihn in einer Ecke der Höhle. Zwei Leichen lagen links und rechts daneben. Wie in einem Horrorfilm. Sie lehnte sich an den Hebel und drückte ihn in die gegengesetzte Seite. Dittmad rief mit ängstlichem Unterton: ,,Pieksi, ich brauche kurz deine Hilfe!" Sie ließ den Hebel stehen, nahm eine Fackel und rannte los. Dittmad hatte es irgendwie geschafft mit einem Bein zwischen zwei Steinen festzustecken. In seinen himmelblauen Augen spiegelte sich Furcht. Vor ihm waren drei Spinnen, die mit ihren Kiefern klackerten und zischten. Er warf Pieksi das Schwert zu und sie rammte die erste der Viecher an die Wand. Dann die Zweite und stach der Dritten ins Hinterleib. ,,Pass auf! Hinter dir!" Sie drehte sich um, aber die Spinne klammerte sich schon an ihren Rücken. Sie stank nach Leichen und Abwasser. Wer weiß, wo sie gelebt hat. Ihre acht feuerroten Augen blickten alle auf Pieksis Kaktus-gesicht. Wie aus dem Nichts schmetterte jemand das Ding runter. Es war Tilo, der seine Besitzerin verteidigte. ,,Lass uns schnell verschwinden!", meinte Dittmad und fuhr sich durch die Haare, ,,Leg den Schalter um und dann durchforsten wir die Stadt nach Hinweisen!" Er holte sein Bein hervor und sprach: ,,Ich habe es mir, glaube ich, verstaucht.", ,,Das wird wieder." Sie ging etwas gelassener zum Schalter und stieß ihn um. Ein ganzes System sprang an, Lichter entzündeten sich, zwei Höhleneingänge wurden verschlossen. Alles war wieder bei bester Ordung.

,,Wie hast du das mit dem Feuer gemacht?", ,,Magie. Jeder hat einen Teil in sich.", ,,A-Aber wie ist das möglich?", ,,Wirst du noch heraus-finden. Erstmal muss ich meinen General wieder finden."

Sie suchten in jedem Haus nach Hinweisen, aber das einzige, was zu finden war, war Asche und Spinnweben. Jedoch fanden sie heraus, wer hinter den Spinnen stand und was er suchte. Das Herz des Meeres. Aber, wo noch Hoffnung war, ist sie wieder weg. Das Herz des Meeres wurde entwendet. Es sollte eigentlich in der Statue des Mannes mit dem weisen Blick sein. ,,Wer ist das überhaupt?", fragte sie neugierig und strich über den Marmorstein. ,,Jacob Alden Graffield. Der Finder des Herz des Meeres und Erfinder der Feuerschwerter. Außerdem erfand er das TNT. Sein Sohn, Serkan Jacob Graffield, tüfftelt auch an solchen Sachen rum. Und er ist Nonngarnder Außenminister.", ,,Wieso ist für seinen Vater ein Denkmal hier?", ,,Er hat uns mit TNT beliefert, damit wir die Silverrider in den Süden treiben konnten.", ,,Anstatt die Waffen nieder zu legen?", ,,Er wusste, dass wir im Recht waren!", ,,In solchen Dingen ist keiner im Recht!" Etwas beleidigt zog sie ihre Hand zurück. ,,Ich will nach Hause. Dieser Ort ist schaurig." Doch als sie Dittmad sah, wusste sie, dass er noch da bleiben wollte und wartete auf ihn.